Ordnet ein Polizeibeamter beim Betroffenen eine Blutabnahme an, ignoriert aber den richterlichen Eildienst, weil ihm egal ist, wie dessen Entscheidung ausfällt, liegt eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts vor, die nach Beschluss des OLG Naumburg zu einem Beweisverwertungsverbot führt.

Der Sachverhalt

Der Betroffene geriet in eine Verkehrskontrolle und es wurde ein Drogenschnelltest durchgeführt, dem der Betroffene zustimmte. Der Test fiel positiv aus und gegen den Willen des Betroffenen ordnete der Polizeibeamte eine Blutprobenentnahme wegen Gefahr im Verzuge an, ohne sich vorher um eine richterliche Anordnung der Entnahme zu bemühen, obgleich ein richterlicher Eildienst an diesem Tage für die Zeit von 8:30 Uhr bis 21:00 Uhr bestand.

Der Polizeibeamte hat nicht dokumentiert, ob es einen Versuch gegeben hat, den Bereitschaftsrichter zu erreichen. Zu den entscheidenden Fragen hat er vor Gericht im Wesentlichen Erinnerungslosigkeit bekundet. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass das Unterbleiben des Versuchs, eine richterliche Entscheidung einzuholen, nicht frei von Willkür war und somit zu einem Beweisverwertungsverbot führte. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehalt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Polizeibeamte keine schriftliche Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.

Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat.

Polizeibeamter ignoriert richterlichen Eildienst

All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung, so das OLG Hamm in seinem Beschluss (2 Ws 201/15): Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet.

Eine Blutentnahme stellt zwar einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar und es wäre auch sinnvoll, den Richtervorbehalt insoweit abzuschaffen. Solange der Gesetzgeber ihn aber vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind, so das Gericht in seinem Schlusssatz.

Gericht:
Oberlandesgericht Naumburg, Beschluss vom 05.11.2015 - 2 Ws 201/15

OLG Naumburg
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