Religiöse und ethische Bedenken der Eltern sind kein Grund, die Tochter vom Sexualunterricht der Schule fernzuhalten. Die für eine Befreiung vom Unterricht maßgebliche Unzumutbarkeitsschwelle wird nicht überschritten wird, so das Verwaltungsgericht Münster.

Der Sachverhalt

Nach einer Mitteilung der Deutschen Anwaltshotline, sollten die Viertklässler einer Grundschule Aufklärungsunterricht erhalten. Die Schule lud die Eltern ein, um ihnen vorher die Inhalte und den Aufbau des Unterrichts vorzustellen. Auch hatten die Eltern die Möglichkeit in einem privaten Gespräch Vorschläge oder Bedenken zu äußern.

Die Eltern eines Mädchens hatten schließlich religiöse und ethische Probleme mit der Thematik und beantragten, ihre Tochter vom Sexualunterricht freizustellen. Doch dies lehnte die Schule ab. Die Eltern behielten ihre Tochter aber trotzdem zu Hause, da sie den Unterricht nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Daraufhin verhängte das Schulamt ein Bußgeld. Die Eltern haben daraufin Klage erhoben. Schließlich seien Fragen des intimen Lebens dem vertraulichen Gespräch zwischen Mutter und Tochter bzw. Vater und Sohn vorbehalten, um Lüsternheit und Unzucht vorzubeugen, so die Eltern.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster (Az. 1 K 1752/13)

Die Klage blieb ohne Erfolg. Es sei schließlich der staatliche Bildungsauftrag, Kindern neutral Wissen und Fakten zu vermitteln. Das könne in der Schule besser durchgeführt werden als bei den Eltern. Daher greife hier das staatliche Bestimmungsrecht.

Die Teilnahme der Tochter am Sexualunterricht verletze auch nicht die Grundrechte der Eltern auf Mitbestimmung in der Erziehung. Die Eltern hatten die Möglichkeit, über die Inhalte des Unterrichts aufgeklärt zu werden und diese dann im Vorfeld mit ihrem Kind nach eigenen Wertvorstellungen zu besprechen, so das Gericht.

Aus dem Urteil [Az. 1 K 1752/13]: Ein Mitbestimmungsrecht der Eltern bei der Ausgestaltung der schulischen Sexualerziehung aufgrund des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist zu verneinen. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist ein Individualrecht, das jedem Elternteil einzeln zusteht. Es kann nicht durch Mehrheitsbildung ausgeübt werden. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es faktisch unmöglich, dass die Schule allen Elternwünschen Rechnung trägt und sie bei der Aufstellung der Erziehungsziele und des Lehrplans sowie bei der Gestaltung des Unterrichts berücksichtigt. Weder kann die Schule Unterrichtslösungen für jedes einzelne Kind oder beliebig kleine Gruppen von Kindern anbieten, noch brauchen die Eltern auf ihr individuelles Erziehungsrecht zugunsten einer von Elternmehrheiten vertretenen Auffassung zu verzichten.

Ein mit allen Eltern einer Klasse auf die Persönlichkeit eines jeden Kindes in der Klasse abgestimmtes Zusammenwirken in der Sexualerziehung ist praktisch kaum vorstellbar, sobald der Bereich der schlichten Wissensvermittlung überschritten wird. Die Eltern können sich daher in diesem Bereich nicht uneingeschränkt auf ihr Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen. Sie werden in der Ausübung ihres Grundrechts insoweit durch die kollidierenden Grundrechte andersdenkender Personen begrenzt. [...]

Gericht:
Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 08.05.2015 - 1 K 1752/13

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