Die E-Zigarette ist aktuell gesetzlich nicht geregelt, was eine Vielzahl von offenen rechtlichen Fragen aufwirft. Klarheit zu relevanten und wirtschaftlich bedeutsamen Fragestellungen verschaffte nunmehr der Bundesverwaltungsgericht in gleich 3 Entscheidungen.

Gleich in 3 Entscheidungen (BVerwG 3 C 25.13, BVerwG 3 C 26.13 und BVerwG 3 C 27.13 alle vom 20.11.2014) musste sich das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren mit der Frage auseinandersetzen, ob die mittels elektronischer Zigarette (sog. E-Zigarette) verdampften und inhalierten nikotinhaltigen Flüssigkeiten (sog. Liquids) ein Arzneimittel und die E-Zigarette ein Medizinprodukt darstellten.

Im Ergebnis kommt das Revisionsgericht zu dem Ergebnis, dass weder ein Arzneimittel noch ein Medizinprodukt vorliegt. In den Entscheidungen wurden zugleich auch eine Reihe interessanter Feststellungen getroffen: z.B. zur Frage der Abgrenzung Arzneimittel zum Genussmittel, der Maßgeblichkeit der Zweckbestimmung für die Produktklassifizierung durch den Hersteller, der Reichweite nationaler Entscheidungen (Einstufung als Arzneimittel), einer möglichen Amtshaftung bei fehlerhaften Behördenhandeln und zur Frage des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Hersteller.

Worum ging es in den Verfahren?

Der Entscheidung des BVerwG 3 C 26.13. v. 20.11.2014 lag die Frage zugrunde, ob es sich bei der E-Zigarette (hier unter dem Markennamen "SuperSmoker®") um die Medizinprodukt i.S. des Medizinproduktegesetzes (MPG) handelt. Ferner stellte sich die Frage, ob es sich bei der für die E-Zigarette erforderlichen nikotinhaltigen Flüssigkeiten um Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) handelt. Bevor diese Fragen geklärt wurden, musste sich das Gericht mit der Frage des Bestehens eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses (Voraussetzung für eine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO) zwischen einem Hersteller und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Bundesoberbehörde auseinandersetzen. Die Entscheidung dieser Frage war deswegen so wichtig, weil sich der Hersteller - um Rechtssicherheit hinsichtlich der Eigenschaft der E-Zigarette zu erlangen - an die Behörde gewandt hatte, diese aber nicht verbindlich entscheiden wollte.

Ausgangspunkt der Entscheidung war in diesem Fall also nicht - wie in der Entscheidung BVerwG 3 C 25.13 vom 20.11.2014 - eine behördliche Maßnahme (Verbot) gegen den Vertrieb von sog. E-Zigaretten, sondern vielmehr begehrten der Hersteller mit Sitz in Belgien (Klägerin zu 2) und das Unternehmen mit Sitz in Deutschland, welches die Produkte europaweit und in Deutschland vertrieb (Klägerin zu 1), die Feststellung, dass die E-Zigarette "SuperSmoker®" sowie die dazugehörigen Filterkartuschen (mit Nikotingehalt) keine Arzneimittel oder Medizinprodukte seien. Bevor das Gericht zu der Rechtsfrage der Einordnung der Produkte bzw. deren Komponenten als Arzneimittel oder Medizinprodukt Stellung nahm, mussten einige grundsätzliche Fragen zur Zuständigkeit des BfArM und des Bestehen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen der Behörde und dem Hersteller, bzw. dem Unternehmen, das diese Produkte vertreibt, geklärt werden. Da die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) lediglich subsidiär gegenüber der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist, kam dem Bestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen Hersteller und BfArM besondere Bedeutung zu.

Dem Rechtsstreit vorausgegangen war ein Schriftverkehr zwischen dem Hersteller des Produkts mit Sitz in Belgien (Klägerin zu 2) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Klägerin zu 1) war hier nicht involviert und trat erstmals im Prozess als Klägerin auf (was noch von Bedeutung sein wird). Die Klägerin zu 2) mit Sitz in Belgien wandte sich an das BfArM und fragte dort an, ob es sich bei dem Produkt "SuperSmoker®" um ein Arzneimittel oder Medizinprodukt handle. Das BfArM teilte darauf der Klägerin zu 2) mit, dass es die nikotinhaltige Variante der E-Zigarette als zulassungspflichtiges Arzneimittel einstufe und das Verdampfungsgerät (Applikator) als Medizinprodukt. Dabei machte des BfArM deutlich, dass es sich um eine vorläufige und rechtlich unverbindliche Empfehlung handle und verwies hinsichtlich der Verbindlichkeit entweder auf ein durchzuführendes arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren oder auf die Entscheidung der für die Überwachung des Arzneimittelgesetzes zuständigen Landesbehörden. Der Klägerin waren damit Steine statt Brot gegeben worden und im Ergebnis erklärte sich die Behörde für unzuständig bzw. wollte den Fall nicht verbindlich entscheiden.

Der Hersteller gab sich damit jedoch nicht zufrieden, sondern beantragte beim BfArM die Feststellung, dass die von ihr hergestellte E-Zigarette bzw. die nikotinhaltigen Liquids keine Arzneimittel seien. Auch nach mehrmaliger Erinnerung beantwortete das BfArM das Schreiben nicht. Das Unternehmen, welches die Produkte deutschlandweit vertrieb (Klägerin zu 1), erhielt auf Anfrage bei der zuständigen Landesbehörde die Auskunft, dass die nikotinhaltige Variante der E-Zigarette ein Arzneimittel sei und die Klägerin zu 1) mit einer Untersagungsverfügung (Verbot des Vertriebs) rechnen müsse, wenn sie den Vertrieb nicht einstelle. Grundsätzlich wäre die Behörde gem. § 69 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 AMG ermächtigt, ein entsprechendes Verbot zu erlassen (so der Fall BVerwGE 3 C 25.13). Ein solches Verbot setzt natürlich überhaupt erst voraus, dass es sich bei der E-Zigarette um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt.

Zur Begründung führte die Überwachungsbehörde aus, dass das BfArM gegenüber einer anderen Überwachungsbehörde auf deren Antrag hin schon einmal einen bestandskräftigen Bescheid dergestalt erlassen habe, dass dort die E-Zigarette als Fertigarzneimittel eingestuft worden sei. Daran bzw. an die rechtliche Bewertung der Eigenschaft der E-Zigarette fühlte sich die jetzige Behörde wohl gebunden. Entscheidend hierbei ist jedoch Umstand, dass sich das BfArM in diesem Fall rechtlich verbindlich (d.h. in Form eines Verwaltungsaktes) gegenüber der Behörde geäußert hatte. Gegenüber Herstellern oder Händlern hatte diese Entscheidung keine Bindungswirkung entfaltet. Da die Klägerinnen zu 1) und 2) letztlich mit ihren Anträgen bei den Behörden scheiterten und zusätzlich noch ein Vetriebsverbot drohte, blieb den Klägerinnen letztlich nichts anderes übrig, als den Klageweg (über 3 Instanzen!) zu beschreiten.

Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht gaben den Klägerinnen im Ergebnis recht und stellten fest, dass die E-Zigaretten und vor allem der nikotinhaltigen Liquids nicht als zulassungspflichtiges Arzneimittel einzustufen seien. Auch die E-Zigarette in ihrer Einheit oder nur der Applikator seien nicht als Medizinprodukt einzustufen. Die Behörde gab sich damit nicht zufrieden und ging gegen diese Entscheidung in Revision.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte im Ergebnis diese Entscheidung. Zunächst beschäftigte sich das Gericht intensiv mit der Frage, ob eine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO überhaupt zulässig sei und die Klägerinnen ihr Begehren mit dieser Feststellungsklage überhaupt erreichen können, was die Behörde entschieden bestritt. Zu entscheiden war also über die Zuständigkeit des BfArM für das Anliegen der Klägerinnen. Grundsätzlich muss ein pharmazeutischer Unternehmer, wenn es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt, gem. § 21 Abs. 1 AMG eine Zulassung beim BfArM beantragen, bevor er seine Produkte in den Verkehr bringen kann. Den Antrag kann nur der pharmazeutische Unternehmer gem. § 21 Abs. 3 AMG stellen. Auf den hier vorliegenden Fall angewandt hätte dies bedeutet, dass der Hersteller (die Klägerin zu 2) einen solchen Zulassungsantrag mit all seinen umfangreichen Formalien und Hürden hätte stellen müssen, um eine rechtlich verbindliche Entscheidung über die Arzneimitteleigenschaft seines Produkts zu erhalten.

Ferner entscheidet das BfArM gem. § 21 Abs. 4 AMG nur auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde, also gegenüber einer Behörde und nicht gegenüber dem Hersteller, d.h. ein Tätigwerden auf Antrag des Herstellers außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren lehnte die Behörde ab. Würde man diese Argumentation konsequent anwenden, dann hätte der Hersteller - nur um eine Antwort zur Frage der Produkteigenschaft zu erhalten - zwei Alternativen: entweder müsste er ein kosten- und zeitaufwendiges Zulassungsverfahren durchlaufen oder abwarten, bis die zuständige Landesbehörde (als Überwachungsbehörde) ein Verbot erlässt und dann im Rahmen einer Anfechtungsklage (so im Fall BVerwG 3 C 25.13) gegen dieses Verbot vorgehen. Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verbotes würde dann die Frage der Arzneimittel- oder Medizineigenschaft geprüft werden. Dieser Argumentation erteilte das Gericht aber eine Absage und ließ eine Feststellungsklage der Klägerin zu 2), d.h. bejahte damit die Pflicht des BfArM, eine konkrete Entscheidung zu treffen.

Das Gericht bejahte ein sog. feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Hersteller und dem BfArM und begründete dies mit der Vorschrift des § 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (AMGVwV) und mit § 13 Abs. 3 MPG. Aus § 11 S. 4 AMGVwV lässt sich ableiten, dass das BfArM zuständig ist für Anfragen zur Zulassung und Registrierung eines Arzneimittels, wenn der pharmazeutische Unternehmer seinen Sitz nicht im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes aber in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat. So war es in diesem Fall, so dass sich die Klägerin zu 2), die ihren Sitz in Belgien hatte, hier direkt an das BfArM wenden konnte. Für die Feststellung, ob es sich bei der E-Zigarette um ein Medizinprodukt handelt, ergibt sich die Kompetenz des BfArM aus § 13 Abs. 3 MPG. Nach dieser Vorschrift entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde (hier das BfArM) auf Antrag des Herstellers über die Klassifizierung einzelner Medizinprodukte oder über die Abgrenzung von Medizinprodukten zu anderen Produkten (also auch Arzneimitteln).

Dabei legte das Gericht das Begehren der Klägerin zu 2) so aus, dass diese sowohl die Eigenschaft der E-Zigarette als Arzneimittel als auch als Medizinprodukt geklärt haben wollte. Die von der Klägerin zu 2) beantragte Feststellung wurde sogar in einer Verpflichtungsklage (in Form der Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO) umgedeutet, weil das BfArM hätte eine Entscheidung treffen müssen aber nicht getroffen hatte.

Allerdings wurde die Feststellungsklage der Klägerin zu 1), das Unternehmen, das die Produkte europaweit und in Deutschland vertrieb, schon als unzulässig abgewiesen, weil kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bestünde. Da die Klägerin zu 1) in den Schriftverkehr und letztlich das Antragsverfahren mit dem BfArM nicht involviert war (und auch keinen Feststellungsantrag gestellt hatte), entstand zwischen ihr und dem BfArM kein konkretes Rechtsverhältnis, dass aber für die Erhebung einer Feststellungsklage Voraussetzung war. Durch den Prozess und das dadurch entstehende Prozessrechtsverhältnis kann dies nicht begründet werden. Auf die Vorschrift des § 21 AMG und § 13 Abs. 3 MPG konnte sich die Klägerin zu 1) nicht berufen, weil nicht vorgetragen wurde, dass sie als "pharmazeutischer Unternehmen" (§ 21 Abs. 4 AMG) oder als "Hersteller" (§ 13 Abs. 3 MPG) agierte.

Neben dem Bestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses bedarf es für die Feststellungsklage auch eines (besonderen) Feststellungsinteresses i.S. von § 43 Abs. 1 VwGO ("berechtigtes Interesse"). Damit soll ausgeschlossen werden, dass nicht jeder Bürger eine solche Klage erhebt. Das Gericht nahm ein solches aufgrund der mit einer Arzneimitteleigenschaft verbundenen gesetzlichen Beschränken für die Verkehrsfähigkeit der nikotinhaltigen Filterkartuschen [§ 21 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 AMG, § 96 Nr. 5 AMG (Strafnorm!)] unzweifelhaft an.

Nachdem die formalen Hürden hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des Vorliegens eine feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses und eines Feststellungsinteresses und damit der Zulässigkeit einer Feststellungsklage genommen wurden, befasste sich das Gericht - wie in den anderen Fällen auch - grundsätzlich mit der Frage der Einordnung des Produkts E-Zigarette und der dazugehörigen nikotinhaltigen Liquids.

Zunächst prüfte das Gericht auch hier die Frage, ob die nikotinhaltigen Liquids als Präsentationsarzneimittel gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG einzustufen sind. Voraussetzung hierfür ist einerseits die Anwendung im oder am menschlichen Körper und andererseits die Zweckbestimmung zur Heilung oder Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden. Dabei muss das Mittel entweder ausdrücklich als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bezeichnet oder empfohlen werden oder aber es muss bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher der Eindruck - wenn auch nur schlüssig aber mit Gewissheit - entstehen, dass das Produkt in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse.

Dies lehnte das Gericht in Bezug auf die nikotinhaltigen Liquids zutreffend ab. Weder die Bezeichnung, noch nach die werbenden Aussagen noch die Präsentation und Produktaufmachung ließen Rückschlüsse darauf zu, dass die nikotinhaltigen Liquids zur Behandlung der Nikotin- oder Tabaksucht geeignet seien. Diese Zweckbestimmung sollten die in den E-Zigaretten verwendeten nikotinhaltigen Liquids in jedem Fall nicht haben.

Auch die Voraussetzungen für ein Funktionsarzneimittel gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 a AMG lagen nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Danach ist entscheidend, ob ein Arzneimittel entweder pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch wirkt und durch diese Wirkung die physiologischen Funktionen wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden. Dabei ging das Gericht zwar zutreffend davon aus, dass dem Stoff Nikotin eine gewisse pharmakologische Wirkung im menschlichen Körper zugeschrieben werden kann und auch in der vorliegenden Dosierung - bei bestimmungsgemäßen Gebrauch - eine nennenswerte Einwirkung auf den Stoffwechsel (matabolische Wirkungsweise) hervorruft.

Allerdings muss, so das Gericht, die Wirkungsweise für jeden Einzelfall gesondert und im Rahmen einer (wertenden) Gesamtschau aller Merkmale eines Produkts ermittelt werden. Im Rahmen der Gesamtschau müssen neben der Wirkungsweise, die sich rein objektiv bestimmten lässt, auch die Modalitäten des Gebrauchs, der Umfang der Verbreitung, die Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken der Verwendung zur Bewertung herangezogen werden. Ferner muss das Produkt die Körperfunktion nachweisbar und in nennenswerter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können.

Davon abzugrenzen sind Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, deren Wirkung sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein. Das Produkt muss also objektiv geeignet sein, für therapeutische Zwecke eingesetzt zu werden. Produkte, die sich lediglich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Vorgänge beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein und damit ausschließlich zu Entspannungs- oder Rauschzwecken konsumiert werden, werden davon nicht erfasst. Dies gilt auch, wenn sie gesundheitsschädlich sind. Damit grenzte das Gericht in zutreffender Weise ein Arzneimittel von einem Genussmittel ab. Die nikotinhaltigen Liquids waren daher - ähnlich den Tabakerzeugnissen - als Genussmittel anzusehen und damit eine Eigenschaft als Funktionsarzneimittel ausgeschlossen. Die Ähnlichkeit zu den Tabakerzeugnissen wurde vom Gericht durch die äußere Form, die sonstige Aufmachung und die Art der Anwendung der E-Zigarette festgestellt. Insbesondere der Zusatz von Aromastoffen, die dem Rauch einen angenehmen Geschmack geben sollten, unterschieden die nikotinhaltigen E-Zigaretten von den zur Raucherentwöhnung zugelassenen Arzneimittel (z.B. Nicorette Inhaler).

Nach Vornahme einer Einzelfallbetrachtung und wertenden Gesamtschau handelt es sich somit bei den nikotinhaltigen Liquids - vergleichbar mit Tabakzigaretten - um ein reines Genussmittel. Dem steht auch nicht entgegen, dass grundsätzlich durch den Konsum eine Gesundheitsgefährdung besteht. Die nikotinhaltigen Liquids sind auch nicht mit zur Rauchentwöhnung zugelassenen Präparaten (wie z.B. dem als Arzneimittel zugelassenen Nikotinpfalster) vergleichbar, weil ihnen objektiv und vom Anspruch her keine therapeutische Wirkung zukommt.

Selbst eine kurzzeitige Linderung von Entzugssymptomen kann eine Arzneimitteleigenschaft nicht begründen, weil die Aufnahme und Anreicherung von Nikotin der Gesundheit schadet. Auch die Konsumenten messen den Produkten überwiegend keine arzneimittelrechtliche Zweckbestimmung bei, sondern sehen E-Zigaretten als Genussmittel. Letztlich bindet auch die Entscheidung einzelner europäischer Mitgliedsstaaten (die die nikotinhaltigen Liquids als Arzneimittel einstuften) die anderen Mitgliedstaaten (hier die Bundesrepublik Deutschland) nicht. Zumindest solange nicht, bis der Bereich (bspw. durch eine EU-Richtlinie oder Verordnung) harmonisiert wurde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt es sich beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht vermeiden, dass bis zu einer umfassenden Harmonisierung der zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erforderlichen Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede bei der Qualifizierung der Erzeugnisse fortbestehen (EuGH NVwZ 1993, 53, 54 Tz. 15,16).

Mit der mangelnden Eigenschaft der nikotinhaltigen Liquids als Arzneimittel kommt auch eine Medizinprodukteeigenschaft nach § 2 Abs. 3 MPG nicht in Betracht. Nach der Vorschrift des § 2 Abs. 3 MPG kommt das Medizinproduktegesetz auch für Produkte zur Anwendung, die dazu bestimmt sind, Arzneimittel zu verbreichen (sog. Aufbewahrungs- und Transportfunktion zur Verabreichung). Liegt demnach bei den nikotinhaltigen Liquids kein Arzneimitteleigenschaft vor, kommt auch die Anwendung des Medizinproduktegsetzes für die E-Zigarette nicht in Betracht.

Im Nebensatz stellte das Gericht dann noch fest, dass auch kein Medizinprodukt i.S. des § 3 Nr. 1-3 MPG gegeben sei. Dies ist zwar etwas kurz aber im Ergebnis zutreffend geurteilt. Immerhin betreffen die Nrn. 1-3 des § 3 MPG unterschiedliche Fälle. Bei einem Medizinprodukt nach § 3 Nr. 1 MPG spielt die Arzneimitteleigenschaft keine Rolle, so dass der Rückschluss von einer mangelnden Arzneimitteleigenschaft des nikotinhaltigen Liquids nicht zugleich auch auf eine mangelnde Medizinprodukteeigenschaft geschlossen werden kann.

Lediglich die Nummern 2 und 3 des § 3 MPG beschäftigen sich mit Kombinationen von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Im Ergebnis aber müssen Medizinprodukte nach dem subjektiven Willen des Herstellers ebenfalls eine therapeutische Zweckbestimmung haben. Maßgebend sind die Produktangaben des Herstellers, wie sie in der Kennzeichnung, Gebrauchsanweisung und Werbung zum Ausdruck kommen. Weder die E-Zigarette noch der Applikator sind demnach Medizinprodukte. Wie auch schon der Befund bei der Prüfung der Arzneimitteleigenschaft ausgefallen ist, fällt er auch hier bei der Medizinprodukteeigenschaft aus. E-Zigaretten und die mit ihr verwendeten Liquids sind mangels therapeutischer Eignung und Zweckbestimmung lediglich Genussmittel.

Neben dieser zutreffenden Einordnung durch das Gericht ist es auch mehr als begrüßenswert, dass das Gericht dem Hersteller das Recht einräumt, in Zweifelsfragen von nicht unerheblicher Bedeutung auch eine rechtlich verbindliche Entscheidung des BfArM - wie es § 13 Abs. 3 MPG vorsieht - zu erhalten. Den Unternehmer auf ein aufwendiges Zulassungsverfahren nach § 21 AMG zu verweisen oder ihn gar "sehenden Auges" in eine Untersagungsverfügung "laufen zu lassen", kann nicht dem rechtsstaatlichen Gebot nach Rechtsklarheit genügen. Wobei im Übrigen eine Strafbarkeit nach § 96 Nr. 5 AMG für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ohne die erforderliche Zulassung drohen könnte. "Lifestyle(Genuss)-Produkte" und "Borderline-Produkte" haben die Rechtsprechung schon seit Jahren beschäftigt und werden es zukünftig auch tun (vgl. auch zur Frage der Strafbarkeit nach § 96 Nr. 5 AMG die Entscheidung BGH 2 StR 374/00 v. 25.04.2001 für den Fall der Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln bei Nahrungsergänzungsmitteln). Genau dafür ist das BfArM mit seinem wissenschaftlichen Stab aber zuständig.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Uwe Kage

Rechtsanwalt Dr. Uwe Kage
Kanzlei Koch & Kollegen
Wiesenau 27-29
60323 Frankfurt a. Main

Rechtsanwalt Dr. Uwe Kage
Wirtschafts- und Medizinrecht
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