Nach Urteil des Sozialgerichts Stuttgart liegt kein notwendiger Umzug vor, wenn bereits Jahre vor Beginn des Leistungsbezuges nach dem SGB II eine Wohnung mit offensichtlich bestehenden Mängeln angemietet und zehn Jahre lang bewohnt wurde.

Wird eine Wohnung vor Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II mit offensichtlich bestehenden (also nicht verdeckten oder später auftretenden) Mängeln angemietet und zehn Jahre lang bewohnt, so liegt kein notwendiger Umzug vor und es ist gerechtfertigt, nur die bis zum Umzug zu tragenden angemessenen Aufwendungen weiter zu zahlen

Der Sachverhalt

Die Kläger, die seit 2004 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen, lebten von 1997 bis 2008 in einer 70 qm großen Wohnung mit niedriger Deckenhöhe an einer stark befahrenen Straße. Das Badezimmer lag ein Stockwerk tiefer, das Warmwasser wurde durch strombetriebene Boiler erzeugt, in der Wohnung befand sich nur ein WC ohne Waschbecken. Für diese Wohnung zahlten sie zuletzt eine Kaltmiete von 322,21 Euro monatlich.

Im März 2008 zogen sie ohne Zustimmung des Jobcenters in eine 60 qm große Wohnung ihres Sohnes, für die sie eine monatliche Kaltmiete von 400 Euro zu zahlen hatten. Das Jobcenter bewilligte den Klägern auch für die Zeit nach dem Umzug Leistungen für die Unterkunft und Heizung nur in Höhe der (geringeren) Aufwendungen für die alte Wohnung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Umzug nicht erforderlich gewesen sei und die Kläger vor Abschluss des neuen Mietvertrages gesetzeswidrig keine Zusicherung des Jobcenters über die Übernahme der (höheren) Kosten der neuen Wohnung eingeholt hätten. Hiergegen wurde Klage erhoben.

Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart

Das Sozialgericht Stuttgart hat die erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Nach dem Gesetz seien Leistungen für die Unterkunft weiterhin nur in Höhe der bis zu einem Umzug zu tragenden angemessenen Aufwendungen zu erbringen, soweit sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.

Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung sei es, einer Kostensteigerung durch Ausschöpfung der jeweiligen örtlichen Angemessenheitsgrenzen entgegenzuwirken. Die von den Klägern behauptete Beschaffenheit der alten Wohnung rechtfertige keinen Umzug. Zwar handle es sich um einen niedrigen Wohnstandard. Erforderlich werde ein Umzug jedoch erst dann, wenn ein unzumutbarer Wohnstandard erreicht sei.

Ein lediglicher sinnvoller oder wünschenswerter Umzug reicht als Begründung nicht aus

Dass ein Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert sei, reiche nicht aus. Außerdem sei die alte Wohnung bereits Jahre vor Beginn des Leistungsbezuges in Kenntnis dieser Mängel angemietet worden, so dass diese hinzunehmen seien. Die Kläger hätten mit ihrem Sohn in Kenntnis der Mietobergrenze des Jobcenters eine Miete vereinbart, die knapp über der Angemessenheitsgrenze liege, um ihren Wohnstandard zu verbessern. Genau diesem Verhalten wolle das Gesetz entgegenwirken.

Gericht:
Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 05.06.2012 - S 7 AS 2485/09

SG Stuttgart
Rechtsindex - Recht & Urteil
Ähnliche Urteile:

Hartz-IV Empfänger können für Ihre Kinder keine Extragelder beantragen, wenn diese wachstumsbedingt neue Kleidung benötigen. Bekleidungsbedarf fällt regelmäßig bei allen Kleinkindern an und stellt deshalb keine besondere Härte dar. Urteil lesen

Hartz IV Empfänger haben keinen Anspruch darauf, die örtlichen Angemessenheitsgrenzen durch einen Umzug in eine andere Wohnung mit höheren - noch angemessenen - Kosten auszuschöpfen. Urteil lesen

Sozialrecht - Grundsätzlich haben Empfänger von Grundsicherungsleistungen nur Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn diese angemessen sind. Lediglich für eine Übergangszeit, in der Regel sechs Monate, werden zu hohe Unterkunftskosten übernommen, um dem Hilfebedürftigen Gelegenheit zu geben, sich eine preiswertere Wohnung zu suchen. Urteil lesen

Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen steht ein hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehende zu, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden zeitlichen Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de