Ein Anzug und ein Hemd für einen Jugendlichen zählen nicht zu dem grundlegenden Bedarf an menschenwürdiger Bekleidung, so das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt. Eine Leistungsgewährung im Rahmen einer Erstausstattung für Bekleidung komme nicht in Betracht.

Der Sachverhalt

In der Sache ging es um die Bewilligung von Leistungen zur Durchführung einer Jugendweihefeier in Höhe von 407 EUR nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Diese Kosten machte der Kläger für die Anschaffung eines Anzugs sowie die Teilnahmegebühr geltend.

Die Beklagte lehnte die begehrte Leistungsbewilligung ab. Die Kosten der Teilnahme an einer Jugendweihefeier sei von der Regelleistung (Freizeit, Kultur) umfasst und würde nicht gesondert erbracht. Es bestehe auch kein Anspruch nach § 23 Abs. 1 SGB II auf Bewilligung einer Darlehens wegen eines von den Regelleistungen umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Es liege keine Notsituation vor

Es sei kein Nachweis vorgelegt worden, dass die beantragte Leistung der Vermeidung einer akuten Notsituation diene. Bei der Bewilligung von Leistungen habe der Beklagte die gesetzlich geltenden Regelungen zur Höhe der Regelsätze zu beachten und keinen Ermessensspielraum.

Der Kläger erhob Klage und begehrte die Erstattung der entstandenen Kosten, hilfsweise einen Abzug des Betrags vom als Einkommen anzurechnenden Kindergeld, weiter hilfsweise eine darlehensweise Bewilligung bei gleichzeitigem Erlass der Rückzahlungspflicht. Der Kläger rügte zunächst allgemein die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelsätze sowie die Anrechnung des Kindergeldes auf den Hilfebedarf. Die Veranstaltungen im Rahmen der Jugendweihefeier seien eine erhebliche Bereicherung in der Entwicklung und Bildung der Kinder und Jugendlichen. Diese Kosten kämen nachweislich nicht im Regelsatz vor.

Das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Az. L 5 AS 175/12)

Die Klage blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung der Richter sei es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, über die laufenden SGB II-Leistungen hinaus Gelder zu bewilligen. Die Religionsausübungsfreiheit sei nicht in ihrem Kern verletzt. Denn die Teilnahme an der Veranstaltung sei mit den monatlichen Regelleistungen möglich gewesen.

Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Anschaffung von Anzug und Hemd kommt eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II im Rahmen einer Erstausstattung für Bekleidung nicht in Betracht. Ein Anzug und ein Hemd für einen Jugendlichen zählen nicht zu dem grundlegenden Bedarf an menschenwürdiger Bekleidung. Vielmehr hatten die Sachen allein den Zweck, sich im Rahmen eines einmaligen Ereignisses feierlich zu kleiden. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass die Kleidungsstücke ausschließlich für den Zweck der Jugendweihefeier angeschafft worden sind. Dem Grundbedürfnis des Bekleidens als Schutz gegen die Unbilden der Witterung dienten die Bekleidungsstücke daher nicht.

Der Kläger hätte zumutbar frühzeitig Ansparungen vornehmen können. In der Regelleistung seien für Bekleidung und Schuhe 10 % und für Freizeit und Kultur 11 % vorgesehen.

Gericht:
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.11.2013 - L 5 AS 175/12

LSG Sachsen-Anhalt
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