Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil entschieden, dass Großeltern keinen Anspruch gegen das Jobcenter auf Übernahme der Umgangskosten mit ihren Enkeln haben. Aufwendungen, wie z.B. Fahrkosten für Besuche, sind aus der Regelleistung zu finanzieren.

Der Sachverhalt

Die 1963 geborene Großmutter wohnt in Hannover und steht im laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen (umgangssprachlich: "Hartz IV"). Ihre achtjährige Enkeltochter, die Tochter ihres Sohnes, der im Streitzeitraum inhaftiert war, wohnt mit der Kindesmutter in Rastede, nahe Oldenburg.

Nach einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Kindesmutter unter Beteiligung des Jugendamtes wurde geregelt, dass die Enkeltochter an jedem zweiten Wochenende ihre Großmutter in Hannover besuchen dürfe, während ein Umgang des Kindesvaters mit seiner Tochter nur in Begleitung der Großmutter gestattet wurde. Die Klägerin verlangt vom Jobcenter die Übernahme der Kosten für zwei Bahnfahrten mit jeweils einem Niedersachsenticket (21,00 €) für das Abholen und das anschließende Zurückbringen der Enkeltochter.

Die Entscheidung

Der 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen hat die zusprechende Entscheidung des Sozialgerichts Hannover aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Voraussetzungen für die Anwendung der so genannten Härtefallregelung nach § 21 Absatz 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seien nicht erfüllt. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendung Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Es läge keine außergewöhnliche Bedarfslage vor

Erforderlich für die Übernahme der durch das Umgangsrecht entstehenden Fahrkosten ist nach Auffassung des 7. Senates zunächst eine außergewöhnliche Bedarfslage. Eine außergewöhnliche Bedarfslage sei gegeben, wenn ein Bedarf, der an sich von der Regelleistung erfasst sei, aufgrund von besonderen Lebensumständen in einem atypischen Umfang anfällt. Eine atypische Situation der Klägerin im Vergleich zu anderen Großeltern sei jedoch nicht feststellbar.

Die Kontaktpflege zwischen Großeltern und Enkelkindern sei regelmäßig und typisch durch räumliche Trennung und damit verbundene Kosten gekennzeichnet. Dies sei der wesentliche Unterschied zu den Umgangskosten für getrennt lebende Elternteile. Daraus ergebe sich keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung der bei Großeltern anfallenden Besuchskosten, auch nicht unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Schutzes für die Familie aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz. Im Gegenteil sei der getrennt lebende Elternteil Grundrechtsträger des aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Elternrechts, während Großeltern ein solches Grundrecht gerade nicht zugeordnet sei. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 1685 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der zum Wohle des Kindes ein Umgangsrecht mit weiteren Familienmitgliedern bzw. wichtigen Bezugspersonen des Kinders ermöglichen wolle. Zentraler Schutzzweck dieser Vorschrift sei nämlich das Kindeswohl und nicht vorrangig das subjektive Recht von Großeltern.

In der Regelleistung sei eine Kostenpauschale zur Pflege sozialer Kontakte und Mobilität enthalten

Ferner sei zu verlangen, dass der durch die Atypik bedingte, besondere Bedarf auch unabweisbar sein müsse. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Regelleistung durch Pauschalbeträge abgebildet werde, um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Bedarfspositionen zu ermöglichen. Der Hilfebedürftigen mute also der Gesetzgeber zu, ihr individuelles Verbrauchsverhalten so zu steuern, dass sie mit dem Festbetrag auskommen und bei besonderen Bedarfen zunächst auf den in der Regelleistung enthaltenen Sparanteil zurückgreifen müsse. Eine Unabweisbarkeit der geltend gemachten Fahrtkosten könne im Fall der Klägerin jedoch nicht festgestellt werden. In der von ihr bezogenen Regelleistung sei eine Kostenpauschale zur Pflege sozialer Kontakte und Mobilität enthalten. Es sei weder aus den gesetzlichen Grundlagen noch aus den Gesamtumständen ersichtlich, dass die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen nicht auch die Pflege familiärer Kontakte umfassen solle. Damit seien die regelmäßigen Besuche der Großeltern bei den Enkelkindern von der Regelleistung abgedeckt. Soweit die Klägerin über diesen Rahmen hinaus höhere Umgangskosten zum Besuch ihrer Enkeltochter veranlasse, sei diese private Disposition durch andere Bedarfspauschalen bzw. durch das Ansparpotenzial auszugleichen.

Dabei hat der 7. Senat auch berücksichtigt, dass regelmäßige Kontakte zwischen Großeltern und Enkeln, wie auch sonstige regelmäßige familiäre Kontakte zu nahen Verwandten, als Teilhabe am sozialen Leben zu den zu berücksichtigenden persönlichen Bedürfnissen gehören. Hieraus folge aber im Rahmen der Existenzsicherung kein konkreter Anspruch auf Bewilligung der jeweils erforderlichen Einzelfahrtkosten, sondern lediglich ein Anspruch auf die erfolgte Berücksichtigung im Rahmen der Regelbedarfsfestsetzung, wobei das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der finanziellen Ausfüllung des soziokulturellen Minimums im Vergleich zum physischen Existenzminimum einen größeren Spielraum zubillige. Für das konkrete Verhältnis zwischen Großeltern und Enkelkindern sei aber gerade kein zwingender Grund für eine finanzielle Besserstellung gegenüber anderen Familienmitgliedern ersichtlich, der im wirtschaftlichen Erfolg eine Erhöhung der laufenden Regelleistungen bedeuten würde.

Nicht streitgegenständlich war im vorliegenden Fall, ob die Enkeltochter selbst einen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten der Großeltern z.B. nach § 18 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) hat. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Gericht:
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen,  Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 1470/12

LSG Niedersachsen-Bremen
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