Die Leistungsbeschränkung in den Versicherungsbedingungen einer Krankheitskostenversicherung, wonach Hilfsmittel in „angemessener Ausführung“ zu erstatten seien, sei nicht wirksam, so das Urteil des AG München. Die Tarifbestimmung verstoße gegen das Transparenzgebot.

Der Sachverhalt

Aus dem Urteil des AG München geht hervor, dass ein Münchner eine private Krankheitskostenversicherung abgeschlossen hatte. Die Versicherungsbedingungen enthielten eine Klausel, in der folgendes geregelt war: „"Erstattungsfähig sind die Kosten für Hörhilfen in angemessener Ausführung (...)"“.

Aufgrund einer beidseitigen Schwerhörigkeit wurden dem Münchner ärztlicherseits Hörgeräte verordnet. Er erwarb solche zum Preis von insgesamt 4105 Euro und reichte die Rechnungen bei seiner Versicherung ein.

Diese erstattete allerdings nur 2124 Euro mit der Begründung, es seien lediglich Kosten für Hörgeräte zu bezahlen, die durchschnittlichen Anforderungen genügten. Individuelle Bedürfnisse Einzelner seien nicht maßgeblich. Auf andere Weise könnten die tendenziell hohen Kosten für Hilfsmittel nicht beschränkt werden. Der Versicherte könnte vorher nachfragen, was er ersetzt bekomme und somit auch abschätzen, was er später erhalte.

Der Versicherte war anderer Meinung. Er hielt die Klausel für unwirksam, da der Begriff „in angemessener Ausführung“ konturlos sei. Außerdem brauche er gerade diese Hörgeräte, da nur sie seine Anforderungen erfüllten und er ansonsten erhebliche Defizite in seiner Kommunikationsfähigkeit hinnehmen müsste.

Das Urteil des Amtsgerichts München

Das Amtsgericht München gab dem Versicherten Recht. Die vorliegende Leistungsbeschränkung, wonach Hilfsmittel in „angemessener Ausführung“ zu erstatten seien, sei nicht wirksam. Die Tarifbestimmung benachteilige den Versicherten unangemessen, da sie nicht klar und verständlich sei. Sie verstoße somit gegen das Transparenzgebot.

Urteil: Verstoß gegen Transparenzgebot

Dieses verlange, dass die Voraussetzungen und Folgen so genau beschrieben werden, dass einerseits für den Verwender der Bedingungen keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstünden, andererseits auch der Versicherte ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen könne. Eine Klausel genüge dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie die Rechte und Pflichten des Versicherten so klar und präzise wie möglich umschreibe.

Urteil: Unterschiedliche Interpretationen seien möglich

Die vorliegende Klausel genüge diesem Bestimmtheitsgebot nicht, da unterschiedliche Interpretationen möglich seien. Die Tarifbedingung könne dahingehend verstanden werden, dass damit nur die Preise für eine Ausführung mittlerer Art und Güte erstattet werden, einer Ausführung, die durchschnittlichen Anforderungen genüge, wobei individuelle Bedürfnisse der jeweiligen Versicherungsnehmer außen vor blieben. Der Versicherungsnehmer hätte in diesem Fall keinen Anspruch auf die beste Qualität, müsste sich aber auch nicht mit der schlechtesten Qualität begnügen. Er müsste sich gegeben falls am Mittel beider Extreme orientieren. Unklar bliebe aber dann, welche Qualität aus der breiten Palette eines oder verschiedener Anbieter maßgebend sein solle.

In einem monetären Sinn wäre die Bestimmung zu verstehen, wenn die Versicherung die Regelung als eine Preisbegrenzung verstanden wissen wolle, obwohl es für die medizinische Notwendigkeit auf Kostengesichtspunkte gerade nicht ankomme. Die Preisgrenze, bis zu der ein Leistungsanspruch der versicherten Person bestehen solle, bliebe offen.

Die Regelung könne aber auch dahingehend interpretiert werden, dass eine angemessene Ausführung eines Hörgerätes erst dann zu bejahen sei, wenn im konkreten Einzelfall bezogen auf die konkrete Hörstörung und bezogen auf die konkreten Lebensumstände des jeweiligen Versicherungsnehmers die Hörstörung adäquat ausgeglichen werde. Denn was angemessen sei, hänge immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei einer Hörgeräteversorgung wäre demgemäß unter anderem maßgebend, ob der Betroffene berufstätig sei oder nicht, welchen Beruf der Versicherte ausübe und welche Alltagssituationen das Hörgerät demgemäß meistern müsse. Da sich die Lebensumstände immer wieder ändern können, wäre auch danach nicht von vornherein klar, in welcher Höhe dem Versicherten der Anspruch zustehe.

Aufzeigen von Preisgrenzen für Versicherung zumutbar

Auch wenn die Anforderungen an die Transparenz von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht überspannt und auch unbestimmte Rechtsbegriffe aus der Gesetzessprache verwendet werden dürfen, sei es der Versicherung zumutbar, Preisgrenzen der Erstattungsfähigkeit von Hörgeräten anzugeben. Dies zeige die entsprechende Regelung für Brillen und Kontaktlinsen.

Versicherungsnehmner muss keine Marktanalyse aller verfügbaren Hörgeräte vornehmen

Dem Versicherungsnehmer sei es jedenfalls nicht zuzumuten, eine Marktanalyse über die Preise aller verfügbaren Hörgeräte vorzunehmen. Ebenso könne es nicht Sinn und Zweck einer Vertragsbestimmung sein, dass der Versicherungsnehmer sich auf eine Marktanalyse seines Vertragspartners, des Versicherers, verlassen müsse, um seinen Leistungsanspruch bestimmen zu können. Deshalb helfe auch die Anregung der Versicherung nicht weiter, dass der Kläger bei ihr hätte nachfragen können, um die Höhe seines Leistungsanspruchs zu ermitteln. Dadurch würden ihr gerade diejenigen Beurteilungsspielräume eröffnet, die ihr als Verwender der Versicherungsbedingungen durch das Bestimmtheitsgebot gerade verschlossen werden sollen.

Urteil: Der Versicherte habe daher (unter Berücksichtigung seiner Selbstbeteiligung von 10 Prozent) einen Ersatzanspruch.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 31.10.2012 - 159 C 26871/10

AG München, PM Nr. 38/13
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