Welcher Autofahrer kennt das Problem nicht: Man ist auf der linken Spur der Autobahn unterwegs und wird plötzlich von einem PS-starken Fahrzeug bedrängt. Dessen Fahrer betätigt die Lichthupe und fährt so nahe auf, dass man das Gefühl hat, es kracht jeden Moment.

Bereits öfters kam es in solchen Situationen zu Unfällen, etwa weil der Bedrängte plötzlich hektisch auf die - besetzte - Mittelspur lenkt oder am Ende selbst Gas gibt und seinem Vorausfahrenden auffährt. Wird der Bedrängte dabei erwischt, dass er wiederum seinen Vordermann bedrängt, kann es allerdings teuer für ihn werden.

Fahrer hält Mindestabstand zum Vordermann nicht ein

Ein Autofahrer war mit seinem Kfz auf der linken Fahrspur einer Autobahn unterwegs, als sich von hinten ein Fahrzeug näherte. Um den geringen Abstand zwischen den beiden Autos wieder zu vergrößern, gab der Autofahrer selbst Gas und reduzierte daraufhin die Distanz zu seinem Vordermann.

Im Rahmen einer Abstandsmessung der Polizei wurde deutlich, dass der Autofahrer hierbei den einzuhaltenden Mindestabstand deutlich unterschritten hatte. Auf der Strecke von ca. 300 Metern hatte er nicht einmal abgebremst, um den geringen Abstand wieder zu vergrößern. Auch hatte der Vordermann die geringe Entfernung zwischen den Pkw nicht durch einen Wechsel auf die linke Fahrspur oder plötzliches und grundloses Bremsen verursacht. Der Autofahrer wurde daher vom zuständigen Amtsgericht wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstands nach den §§ 49 I Nr. 4, 4 I 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt. Ferner wurde gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Das wollte sich der Betroffene nicht gefallen lassen. Schließlich sei er selbst „Opfer“ eines Dränglers geworden. Hätte er einfach abgebremst, wäre ihm sein Hintermann aufgefahren; auch ein Wechsel auf die Mittelspur der Autobahn sei nicht möglich gewesen, weil die zur Zeit der Abstandsmessung durch die Polizei nicht frei gewesen sei. Sein dichtes Auffahren sei daher wegen Notstands nach § 16 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) gerechtfertigt.

Geldbuße und Fahrverbot als Folge des Drängelns

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hielt die Entscheidung des Amtsgerichts für richtig. Schließlich hatte der Autofahrer den einzuhaltenden Mindestabstand zu seinem Vordermann nicht eingehalten. Das wurde aufgrund der - korrekt - durchgeführten Abstandsmessung zweifelsfrei nachgewiesen.

Zwar wird nicht jede nur vorübergehende Abstandsunterschreitung geahndet. Ansonsten würden schon z. B. unerwartete Fahrspurwechsel oder das plötzliche Abbremsen des Vordermanns - was zwangsläufig zumindest kurzzeitig den Abstand zwischen Fahrzeugen verringert - eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Voraussetzung für eine Verurteilung ist somit, dass dauerhaft gedrängelt wurde.

Vorliegend war der Autofahrer seinem Vordermann - auf jeden Fall für die Zeit der Abstandsmessung und damit nicht nur vorübergehend - zu dicht aufgefahren. Damit war er allein verantwortlich für die Unterschreitung des Mindestabstands. Dass er selbst von seinem Hintermann bedrängt wurde, kann jedoch nicht sein eigenes Fehlverhalten rechtfertigen. Stattdessen hätte er entweder auf die Mittelspur ausweichen oder - falls dies tatsächlich nicht möglich gewesen sein sollte - langsam abbremsen bzw. vom Gas gehen müssen. Mit einem maßvollen Verringern der Geschwindigkeit hätte er eine Abstandsunterschreitung zum Vordermann verhindern können; auch wäre es - anders als z. B. bei plötzlichem Abbremsen - nicht zu einem Auffahrunfall mit dem Hintermann gekommen.

Gericht:
Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 25.02.2015 - 3 Ss OWi 160/15

Ein Beitrag von anwalt.de
Sandra Voigt, Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion

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