Arbeitslosengeld kann nur beanspruchen, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Nach dem Urteil des LSG Hessen steht die Einschreibung an einer Universität der Verfügbarkeit nicht entgegen.

Der Sachverhalt

Ein sicherlich erfreuliches Urteil für viele angehende Studenten, die Arbeitslosengeld beanspruchen wollen. Arbeitslosengeld kann nur beanspruchen, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Diese Verfügbarkeit wird bei Studierenden regelmäßig verneint, weil sie - so die gesetzliche Vermutung - nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können.

Ist jedoch ein Studienanfänger bis zum Beginn der Lehrveranstaltungen nicht in studiumsrelevante Aktivitäten eingebunden, so ist diese Vermutung widerlegt.

Arbeitslose Frau begehrt Arbeitslosengeld bis Vorlesungsbeginn

Eine gelernte Krankenschwester aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg meldete sich nach einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos. Die Mutter eines minderjährigen Kindes beantragte - unter Hinweis auf ihre Einschreibung an einer Hochschule - Arbeitslosengeld bis zum Vorlesungsbeginn. Die Agentur für Arbeit gewährte ihr Arbeitslosengeld bis einschließlich August. Ab September könne sie als eingeschriebene Studentin nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausüben.

Verfügbarkeit bis zum Beginn der Lehrveranstaltungen

Die Richter beider Instanzen gaben der Studentin Recht. Sie habe nachgewiesen, dass sie bis zum Vorlesungsbeginn (Anfang Oktober). nicht durch universitäre Aktivitäten gebunden gewesen sei und deshalb eine Beschäftigung hätte ausüben können. Damit habe sie in dieser Zeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden und die gesetzliche Vermutung widerlegt.

Aus dem Urteil

Die Verfügbarkeit ist nicht aufgrund der Regelung des § 120 Abs. 2 SGB III entfallen. Selbst wenn man aufgrund der Immatrikulation das Eingreifen der Vermutungswirkung als gegeben ansehen würde, weil hier nur auf den formalen Status des Studenten abgestellt wird (vgl. einerseits BSG vom 19. März 1998, Az.: B 7 AL 44/97 R - juris -; BSG SozR 3-4100 § 103a Nr. 3; andererseits Gagel/Steinmeyer, SGB III, Kommentar, § 120 Rn. 77f, Stand: Januar 2005) und nicht auf die Frage, ob auch tatsächlich studiert wird, so hätte die Klägerin diese Vermutung widerlegt.

Zu der vergleichbaren Vorläuferregelung (§ 103a Arbeitsförderungsgesetz [AFG]) hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass ein Student die Vermutung des § 103a Abs. 1 AFG, er könne neben dem Studium nur eine beitragsfreie Beschäftigung ausüben, widerlegt, wenn er dargelegt und nachweist, dass weder die für ihn geltenden abstrakten Regelungen in den Studien- und Prüfungsordnungen noch seine konkrete Studiengestaltung eine Beschäftigung ausschließen, die mehr als kurzzeitig ist und bei der das Studium hinsichtlich der Gesamtbelastung hinter der Arbeitnehmertätigkeit zurücktritt (Urteil vom 14. März 1996, 7 RAr 18/94, SozR 3-4100 § 103a Nr. 2).

Rechtsgrundlagen:

§ 137 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - ehemals § 118 SGB III
§ 138 SGB III - ehemals § 119 SGB III
§ 139 SGB III - ehemals § 120 SGB III

Themenindex:
Arbeitslosenversicherungsrecht, Arbeitslosengeld

Gericht:
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 02.10.2012 - L 7 AL 3/12

LSG Hessen, PM Nr. 15/12
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