Ein Rechtsanwalt versäumte es, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen dreiwöchigen Frist eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Sein Mandant, ein Fußballtrainer in der 2. Bundesliga, fordert Schadensersatz in Höhe seines Jahresverdienstes. Die Klage hatte Erfolg.

Wird die nichtberechtigte Kündigung eines Fußballtrainers wirksam, weil sein Rechtsanwalt eine rechtzeitige Kündigungsschutzklage gegen den Verein versäumt, kann der Anwalt verpflichtet sein, dem Trainer das zum ursprünglichen Vertragsende entgangene Grundgehalt einschließlich entgangener Sonderprämien als Schadensersatz zu zahlen. Das hat das OLG Hamm in seinem Urteil (28 U 98/13) entschieden.

Der Sachverhalt

Der Cheftrainer der 1. Herrenmannschaft eines seinerzeit in der 2. Bundesliga spielenden Fußballvereins wurde wenige Spieltage vor Abschluss der Saison 2007/2008 entlassen. Grund waren sportliche Misserfolge der Fußballmannschaft.

Mit einem späteren Schreiben kündigte der Verein den ursprünglich mit dem Trainer bis Ende Juni 2010 abgeschlossenen Arbeitsvertrag vorzeitig ordentlich zum 31.12.2008. Der Trainer hielt die Kündigung für unberechtigt hielt. Er beauftragte deshalb den einen Rechtsanwalt. Gegenüber dem Fußballverein widersprach der Rechtsanwalt namens des Trainers der Kündigung, unterließ es jedoch, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen dreiwöchigen Frist eine Kündigungsschutzklage zu erheben.

Der Trainer als Kläger hat gemeint, dass der Rechtsanwalt deswegen seine anwaltlichen Pflichten verletzt habe und Schadensersatz schulde. Als Schaden sei ihm der Verdienst zu ersetzen, den er bei regulärer Fortdauer des Trainervertrages ist zum 30.06.2010 hätte erzielen können. Dies wären über 600.000 Euro.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (28 U 98/13)

Das Schadensersatzbegehren war weitgehend erfolgreich. Der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil, Az. 28 U 98/13) hat dem Kläger ca. 330.000 Euro als jetzt bereits bezifferbaren Schaden zugesprochen und festgestellt, dass der beklagte Rechtsanwalt weitere Belastungen des Klägers aufgrund von zu entrichtenden Abgaben und Steuern bis zur Höhe von insgesamt ca. 640.000 Euro zu tragen habe.

Der Rechtsanwalt habe seine Pflichten aus dem Anwaltsdienstvertrag verletzt, indem er den Kläger nicht auf die innerhalb einer dreiwöchigen Frist zu erhebende Kündigungsschutzklage hingewiesen habe. Eine fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage hätte der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich geführt.

Fußballverein sei nicht zur vorzeitigen Kündigung berechtigt gewesen

Aufgrund des bis zum 30.06.2010 befristeten Arbeitsvertrages sei der Fußballverein nicht zu einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Im Falle einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage hätte der Kläger vom Fußballverein auch bei seiner Freistellung als Trainer bis zum 30.06.2010 vertragsgemäßes Gehalt beanspruchen können. Dass er sich mit dem Verein auf eine Abfindung geeinigt hätte, sei nicht feststellbar. Anderweitigen Verdienst müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen, weil er bis zum 30.06.2010 kostenlos bei anderen Vereinen in Italien und Frankreich hospitiert habe.

Rechtsanwalt schuldet Schadensersatz

Ca. 330.000 Euro müsse der Rechtsanwalt an den Kläger bereits jetzt zahlen, weil der Kläger seinen Netto-Verdienstausfallschaden in dieser Höhe beziffern könne. Er habe Anspruch auf die Vergütung, die er bei einer Weiterarbeit erzielt hätte. Das seien im vorliegenden Fall das im Arbeitsvertrag vereinbarte Grundgehalt und die vereinbarten Punkteprämien abzüglich ersparter Aufwendungen. Dabei seien die Prämien nach den unter den nachfolgenden Trainern tatsächlich erzielten Spielergebnissen zu berechnen. Es komme nicht darauf an, wie die Spielergebnisse mit hypothetischer Beteiligung des Klägers ausgegangen wären. Da der Kläger durch seine vertragswidrige Suspendierung um die Chance gebracht worden sei, bestimmte Arbeitserfolge zu erzielen, könnten ihm im Nachhinein hiervon abhängige erfolgsbezogene Vergütungsbestandteile nicht versagt werden.

Anspruch auf den Bruttolohn habe der Kläger zurzeit nicht, weil er den ausgeurteilten Schadensbetrag noch der Steuer zu unterwerfen habe. Der Senat folge insoweit der modifizierten Nettolohnmethode, nach der der Kläger den ihm entgangenen Nettoverdienst als Zahlbetrag verlangen könne und festgestellt werde, dass die von den Finanzbehörden auf die zuerkannte Schadenssumme später berechneten Steuern und Abgaben als weiterer Schaden zusätzlich zu erstatten seien.

Themenindex:
Anwaltshaftung, Haftungsklage, Schadensersatz

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.10.2014 - 28 U 98/13

OLG Hamm, PM
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Schadensersatz - Das Oberlandesgericht Koblenz hat die Auffassung des Landgerichts Koblenz bestätigt, dass ein Käufer, der bei einer vom Verkäufer nach kurzer Zeit abgebrochenen Internetauktion ein hochwertiges Fahrzeug für 5,50 Euro ersteigert, das Fahrzeug jedoch nicht erhält, vom Verkäufer nicht ohne Weiteres Schadensersatz verlangen kann. Urteil lesen

15.09.2008 - Ein Mieter muss in der Regel beim Auszug die Ausstattung einer Wohnung, also beispielsweise ursprüngliche Einrichtungsbestandteile, wieder seinem Vermieter überlassen. Entfernt der Mieter diese eigenmächtig, so kann er unter Umständen schadenersatzpflichtig werden - sagt Marcus Zachmann von der Quelle Bausparkasse. Urteil lesen

Vermietet ein Immobilieneigentümer Räumlichkeiten zweimal zeitgleich, so bleibt es ihm vorbehalten zu entscheiden, wem er die Räume überlässt und wem er stattdessen gegebenenfalls Schadenersatz leisten muss. Urteil lesen

Mietrecht: Rutscht jemand in einem Miets- oder Bürohaus auf einer frisch gewischten Treppe aus und verletzt sich dabei, so bestehen keine Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter. Auf dieses Urteil des Landgerichts Gießen weist Susanne Dehm von der Quelle Bausparkasse hin. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de