Fährt ein Grundstückseigentümer in Urlaub, so kann er seinem Nachbarn die Räum- und Streupflicht anvertrauen. Er muss nicht seinen Urlaub unterbrechen, um den Nachbarn zu kontrollieren, wenn dieser in den letzten 15 Jahren zuverlässig geräumt und gestreut hat.

Der Sachverhalt

Im Februar vor zwei Jahren war die Klägerin, die Urlaub in Büsum machte, bei Eisglätte vor dem Grundstück des Beklagten zu Fall gekommen und hatte sich am rechten Ellenbogengelenk verletzt. Der Grundstückseigentümer befand sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub. Dieser vertraute seit 15 Jahren seinem Nachbarn während seines Urlaubs die Aufgabe an, den Bürgersteig zu räumen und zu streuen. Die Stadt Büsum hat durch Satzung die Räum- und Streupflicht für die Bürgersteige auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke übertragen.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz über 6.700 Euro und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro. Die Höhe des Schmerzensgelds begründet sie mit einer andauernden schmerzhaften Bewegungseinschränkung des rechten Arms.

Die Entscheidung

Der Grundstückseigentümer haftet nicht. Der Nachbar hat faktisch die Aufgabe der Verkehrssicherung in dem Gefahrenbereich übernommen und im Hinblick hierauf sind Schutzvorkehrungen durch den Grundstückseigentümer unterblieben. Dieser hat sich auf das Tätigwerden des Nachbarn verlassen. Der beauftragte Nachbar ist dann für den Gefahrenbereich nach allgemeinen Haftungsgrundsätzen verantwortlich.

Bei dem Grundstückseigentümer als primärem Verantwortlichen für die Räumung des Bürgersteigs verbleibt die Verpflichtung zur sorgfältigen Auswahl und fortlaufenden Überwachung des Beauftragten. Dabei reichen regelmäßige Kontrollen aus, soweit nicht bei schwerwiegenden Risiken gesteigerte Überwachungspflichten bestehen. Ergeben sich keinerlei Hinweise auf Nachlässigkeiten, kann darauf vertraut werden, dass der Übernehmer der Räum- und Streupflicht sich ordnungsgemäß verhält.

Hier hatte der Nachbar seit 15 Jahren den Bürgersteig vor dem Haus des Beklagten während dessen Abwesenheit geräumt und gestreut, ohne dass es zu Unfällen oder zu Beanstandungen gekommen war. Auch hatte die Mutter des Grundstückseigentümers täglich nach der Post gesehen, und hierbei die Verhältnisse auf dem Bürgersteig kontrolliert.

Themenindex:
Verkehrssicherungspflicht, Schmerzensgeld

Gericht:
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.02.2012 - 11 U 137/11

PM 5/2012
Rechtsindex
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