Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stellen einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Es besteht keine Pflicht zum Anbringen eines Aufklebers "Werbung - Nein danke" auf dem Briefkasten.

Der Sachverhalt

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, fühlte sich durch eine Postwurfsendung gestört, die ihm durch ein Werbeunternehmen wöchentlich unadressiert zugestellt wurde. Hierbei handelt es sich um die Postwurfsendung eines Werbeunternehmens, die aus einem wöchentlichen TV-Programmheft und den Werbebroschüren unterschiedlicher Handelsunternehmen besteht, welche in einer durchsichtigen Klarsichthülle verpackt sind.

Mit Schreiben teilte der Kläger dem Werbeunternehmen mit, dass er nicht an der Werbesendung interessiert sei und keine weiteren Zustellungen wünsche. Das Werbeunterehmen antwortete hierauf mit einer E-Mail und teilte mit, dass er eine Zustellung mit einem Aufkleber auf seinem Briefkasten verhindern könne. Der Kläger teilte dem Unterehmen mit, dass er nicht bereit sei, einen solchen Aufkleber anzubringen und er forderte erneut auf, die Werbung künftig zu unterlassen. In Folge erhielt der Kläger, dennoch weitere Zustellungen der Werbung.

Der Kläger forderte das Werbeunternehmen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.001,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung auf.

Wieder bekam er Werbung zugestellt und das Werbeunternehmen lehnte die Abgabe einer Unterlassungerklärung mit der Begründung ab, es sei ihr nicht möglich, die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu treffen, da die Kosten und Mühen zu hoch seien, verglichen mit der Belästigung des Klägers. Der Kläger reichte Unterlassungsklage ein. Selbst danach erhielt er noch weitere Ausgaben.

Das Amtsgericht wies die Klage ab

Aus dem Urteil: [...] Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zusteht. Ein solcher ergebe sich weder aus dem Wettbewerbsrecht noch aus den §§ 1004, 823 BGB. Denn zum einen verlange § 7 UWG eine Belästigung in unzumutbarer Weise, zum anderen setze ein Anspruch aus den §§ 1004, 823 eine erhebliche Beeinträchtigung voraus. Da der Kläger im Vergleich zur Beklagten ein wesentlich einfacheres Mittel zur Hand habe, um seinen Wunsch durchzusetzen, liege aber nur eine sehr geringfügige - subjektiv empfundene - Belästigung vor. Der Kläger könne einfach einen „Werbung, nein danke“-Aufkleber an seinem Briefkasten anbringen. Der Umstand, dass der Kläger dann überhaupt keine Werbung mehr erhalte, müsse hingenommen werden, da insoweit das "Alles oder Nichts"-Prinzip gelte. [...] Der Kläger ging in Berufung.

Die Entscheidung

Aus dem Urteil: [...] Der Kläger hat gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung der Postwurfsendung gem. § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB, §§ 1, 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Ein Unterlassungsanspruch im Sinne dieser Vorschriften ist gegeben, wenn die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823 ff. BGB geschütztes Rechtsgut vorliegt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.[...]

Amtliche Leitsätze


  1. Das Zusenden von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
  2. Postwurfsendungen, die der Empfänger erkennbar nicht wünscht, stellen stets eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar.
  3. Für die Erkennbarkeit eines entgegenstehenden Willens des Empfängers genügt eine entsprechende Mitteilung an das werbende Unternehmen, es besteht keine Pflicht zum Anbringen eines Aufklebers "Werbung - Nein danke" auf dem Briefkasten.

Rechtsgrundlagen:
BGB § 823, BGB § 1004

Gericht:
Landgericht Lüneburg, Urteil vom 30.09.2011 - 4 S 44/11

Redaktion Rechtsindex
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