Nach einem Urteil des AG Tiergarten, muss eine Vermieterin die Nutzbarkeit von Fenstern einer Mietwohnung wieder herstellen, die durch einen Neubau auf dem Nachbargrundstück verschlossen worden sind. Nicht erst seit dem Fall "der Mauer" ist es allgemeinkundig, dass Mauern auch wieder beseitigt werden können.

Der Sachverhalt

Die Eigentümerin und Vermieterin ließ ab Juni 2009 auf dem anliegenden Areal der Mieterin umfangreiche Baumaßnahmen ausführen. Von Februar 2010 bis Oktober 2011 ließ die Vermieterin ein anliegendes Gebäude entkernen und auf dem Grundstück ein neues Haus errichten. Die Außenwand des Hauses wurde unmittelbar vor dem Küchenfenster und dem Badezimmerfenster der Mieterin angebaut. Die Mieterin minderte die Miete wegen der mit den Bauarbeiten verbundenen Belästigungen und damit fing der Streit an:

Die Vermieterin sah die Mietminderungen wegen Baulärm etc. als nicht gerechtfertigt, kündigte, klagte und begehrte Räumung. Die Mieterin wehrte sich mit Widerklage und beantragte die Vermieterin zu verurteilen, die Fenster im Bad und in der Küche dergestalt Wiederherzustellen, dass der Abstand zur Außenwand des Gebäudes auf dem Hausgrundstück mindestens 3 Meter beträgt (§ 6 Abs. 6 Nr. 3 Bauordnung von Berlin).

Die Vermieterin behauptete, nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks zu sein und meint, dass es ihr deshalb objektiv unmöglich sei, die Mauer vor dem Küchen- und Badezimmerfenster der Wohnung der Mieterin wieder zu beseitigen. Da die Beseitigung der Mauer vor den Fenstern der Wohnung der Mieterin mit erheblichen Kosten verbunden sei, übersteige dies die Grenze der Zumutbarkeit.

Die Entscheidung

Aus dem Urteil geht hervor, dass die Vermieterin sich gegen ihre Verpflichtung, die Mauer vor den Fenstem der Mieterin zu beseitigen nicht mit Erfolg darauf berufen kann, dies sei ihr wegen der Umwandlung des neugebauten Hauses auf dem Grundstück unmöglich bzw, mit solchen Kosten verbunden, dass es die Opfergrenze überschreite.

Ein Fall der objektiven Unmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn die verlangte Handlung niemandem möglich ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, denn nicht erst seit dem Fall "der Mauer" ist es allgemeinkundig, dass Mauern auch wieder beseitigt werden können. Wenn die Vermieterin nicht mehr Eigentümerin des GrundstücKs sein sollte, ist es den neuen Eigentümern möglich, die Mauer zu entfernen und die Vermieterin hat dann die Pflicht dafür zu sorgen, dass sie es tun. Der behauptete Eigentümerwechsel wurde nicht substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt.

Kein Fall der objektiven Unmöglichkeit

Dass die Beseitigung der Mauer mit sehr hohen Kosten verbunden ist, unterliegt keinem Zweifel, führt allerdings nicht zur objektiven Unmöglichkeit und ist deshalb nicht nach § 275 Abs. 1 BGB, sondern nach dessen Abs. 2 zu bewerten.

Dies bedeutet, dass die Vermieterin die Leistung nur dann verweigern kann soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht wobei § 275 Abs. 2 Satz 3 BGB dazu ausdrücklich bestimmt: "Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat."

Vermieterin habe die Situation selbst geschaffen, indem sie die Mauer errichtet habe

Die gem. § 275 Abs. 2 BGB vorzunehmende Interessenabwägung führt hier zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Vermieterin sich nicht auf die hohen Kosten und auf den Aufwand, der mit einer Auseinandersetzung mit den Eigentümern des Nachbargrundstücks verbunden ist, berufen kann, denn sie hat die Voraussetzungen dafür selbst geschaffen, indem sie die Mauer errichtet hat, statt zuvor eine Verständigung mit der Mieterin herbeizuführen.

Zugleich stellte das Amtsgericht auf die Widerklage die Berechtigung der Mieterin fest, wegen verschiedener Mängel - auch wegen der zugemauerten Fenster - die Miete zu mindern. Die auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen und vorübergehenden Umzug in eine Ersatzwohnung gerichtete Klage der Vermieterin war erfolglos.

Themenindex:
Mietminderung

Gericht:
Amtsgericht Tiergarten, Urteil vom 17.07.2012 - 606 C 598/11

AG Tiergarten
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