Wenn der Gesetzgeber für eine polizeiliche Maßnahme Beschränkungen festlege, seien diese von der Bundespolizei zu beachten und dürften nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen außer Kraft gesetzt werden. Da aber im Übrigen kein sachlicher Anlass für die Durchführung der Kontrolle bestanden habe, sei die Kontrolle der Kläger rechtswidrig gewesen.

Der Sachverhalt

Die Kläger, Eheleute, sind deutsche Staatsangehörige. Sie befanden sich im Januar 2014 in der von Mainz nach Köln verkehrenden Regionalbahn "trans regio MRB 32". Ein Bundespolizist forderte die Kläger auf, ihre Ausweise vorzulegen. Die Kläger kamen dem nach. Der Beamte telefonierte sodann und gab seinem Gesprächspartner die Personalien der Kläger weiter. In dem Zug wurden keine sonstigen Kontrollen durchgeführt.

Feststellungsklage

Die Kläger haben sodann Klage erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass die Maßnahme rechtswidrig sei, da sie, so ihr Vorbringen, nur wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert worden seien. Die Bundespolizeidirektion machte geltend, die Kläger hätten kein schützenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Es bestehe auch kein Grund, warum bei ihnen eine Befragung und eine Ausweiskontrolle nicht zulässig gewesen seien, zumal es sich bei der Bahnstrecke von Mainz nach Köln um einen bekannten "Schleuserweg" handele.

Die Entscheidung 

Die Klage hatte Erfolg. Die in der Regionalbahn durchgeführte Personenbefragung der Kläger sowie der telefonisch durchgeführte Personalienabgleich stellten sich kurzfristig erledigende polizeiliche Maßnahmen dar, durch die in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen wurde. In solchen Fällen müsse ein Betroffener die Möglichkeit haben, im Wege der Feststellungsklage um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. BVerwG, U. v. 20.06.2013 - 8 C 39.12 -, juris), da ansonsten ein rechtsfreier Raum eröffnet würde (Art. 19 Abs. 4 GG). Dies wäre mit dem grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf Rechtsschutz nicht zu vereinbaren.

Die Klage sei auch begründet. Die Bundespolizei hätte in der Regionalbahn ohne Anlass keine Kontrolle durchführen dürfen. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 a BPolG, auf den die Beklagte die Befragung der Kläger gestützt hat, lagen nicht vor. Nach den einschlägigen Vorschriften könne die Bundespolizei zur Unterbindung einer unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet unter anderem in Zügen Personen kurzfristig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt würden. Dies setze aber die auf grenzpolizeiliche Erfahrung oder eine Lagebeurteilung gestützte Annahme voraus, ein Zug werde zur unerlaubten Einreise aus einem anderen Staat in die Bundesrepublik Deutschland genutzt. Der Begriff der Einreise bedeutet nach dem Wortsinn die Reise von einem in den anderen Staat (vgl. auch OLG Karlsruhe, U. v. 20.11.1984, NJW 1985, 2906).

Dies sei aber nicht bei solchen Zügen möglich, die ihren Ausgangs- und Endpunkt im Bundesgebiet hätten und bei deren Fahrt weder Flug- oder Seehäfen passiert würden, noch Grenzen zu anderen Staaten erreicht oder überschritten würden. Zwar möge es aus rechtspolitischen Erwägungen gerechtfertigt sein, der Bundespolizei auch auf Regionalverbindungen verdachtsunabhängige Kontrollbefugnisse zur Bekämpfung der illegalen Migration und Schleuserkriminalität einzuräumen. Allerdings sei es Aufgabe des Gesetzgebers, die materiellen Voraussetzungen für einen Grundrechtseingriff klar festzulegen. Wenn der Gesetzgeber für eine polizeiliche Maßnahme Beschränkungen festlege, seien diese von der Bundespolizei zu beachten und dürften nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen außer Kraft gesetzt werden. Da aber im Übrigen kein sachlicher Anlass für die Durchführung der Maßnahme bestanden habe, sei die Kontrolle der Kläger rechtswidrig gewesen.

Gericht:
Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 23.10.2014 - 1 K 294/14.KO

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