Die Berufung gegen ein Urteil des VG Koblenz, wonach Polizeibeamte die Auswahl der zu kontrollierenden Personen auch nach der Hautfarbe vornehmen dürfen, hatte Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht erklärte das Kriterium der "Hautfarbe" als Verstoß gegen das Grundgesetz.

Der Sachverhalt

Während einer Bahnfahrt wurde ein deutscher Staatsbürger mit schwarzer Hautfarbe durch zwei Bundespolisisten kontrolliert. Weil der junge Mann seinen Ausweis nicht zeigen wollte, durchsuchten die Polizisten seinen Rucksack vergeblich nach Ausweispapieren und nahmen ihn mit zu ihrer Dienststelle. Es kam zur Diskussion, in deren Verlauf der junge Mann den Beamten u.a Nazi-Methoden vorwarf. Er sei allein wegen seiner dunkleren Hautfarbe kontrolliert worden.

Die Beamten beriefen sich auf eine Vorschrift des Bundespolizeigesetzes, wonach die Bundespolizei zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet in Zügen jede Person kurzfristig anhalten, befragen und von ihr die Aushändigung mitgeführter Ausweispapiere verlangen kann, soweit aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass der Zug zur unerlaubten Einreise genutzt werde.

Der Mann klagte vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Die Klage blieb jedoch ohne Erfolg. Rechtsindex berichtete unter dem Beitrag "Verdachtsunabhängige Identitätsfeststellung eines Zugreisenden". Die Identitätsfeststellung, so die Richter, sei rechtmäßig gewesen. Beamte dürfen die Auswahl der anzusprechenden Personen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild vornehmen. Mit der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht hatte der junge Mann Erfolg.

Die Entscheidung

Nach Beendigung der Beweisaufnahme machte das Gericht deutlich, dass das an den Kläger gerichtete Ausweisverlangen rechtswidrig war, weil die Hautfarbe des Klägers das ausschlaggebende Kriterium für die Ausweiskontrolle gewesen sei. Diese Maßnahme habe daher gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstoßen.

Das Gericht sprach sich damit klar gegen die Praxis des "Racial/Ethnic Profiling" aus, so die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). "Für die Befragung und die Aufforderung, Ausweispapiere vorzulegen – nach Paragraph 22 Absatz 1a Bundespolizeigesetz – im vorliegenden Fall, ist der Anknüpfungspunkt der Hautfarbe nicht zulässig. Die Maßnahmen verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot nach Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, so dass sie ermessen-fehlerhaft waren", erklärte die Richterin.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) begrüßt das heutige Urteil, das die rassistisch konnotierten Arbeitsmethoden der Bundespolizei rügt. "Seit Jahren kämpfen wir für eine öffentliche Wahrnehmung dieser Praxis. Polizeikontrollen dieser Art sind kein Einzelfall. Sie beschreiben die Alltagserfahrung vieler Schwarzer Menschen und People of Color in Deutschland. Durch die polizeiliche Praxis werden sie als Verdächtige gekennzeichnet und kriminalisiert. Wir hoffen daher auf ein grundsätzliches politisches Signal durch dieses Urteil", sagt Tahir Della, Vorstandsmitglied der ISD.

Nachdem sich die Vertreter der Bundespolizei bei dem Kläger für die Kontrolle im Zug entschuldigt hatten, erklärten die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das OVG erklärte das erstinstanzliche Urteil für wirkungslos und legte der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

Themenindex:
Personenkontrolle, Diskriminierung, Identitätsfeststellung

Gericht:
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.10.2012 - 7 A 10532/12.OVG

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