In einer Tiefgarage besteht die Pflicht zur gesteigerten Rücksichtnahme. Dabei hat der rückwärts aus einem Stellplatz Herausfahrende wegen der durch die eingeschränkten Sichtverhältnisse höheren Gefahr eine erhöhte Sorgfaltspflicht, so das Urteil (Az. 3 O 93/14) des Landgerichts Heidelberg.

Der Sachverhalt

Bei der Tiefgarage mit den dortigen Stellplätzen der Anwohner handelt es sich um Privatgelände. Die Ein- und Ausfahrt erfolgt durch Öffnen eines automatischen Aufziehtores. Ein Hinweis darauf, dass im Tiefgaragenbereich die Vorschriften der StVO gelten sollen, ist nicht vorhanden.

Die Beklagte befuhr den Durchfahrtbereich der Tiefgarage Richtung Ausfahrt. Zur selben Zeit fuhr der Sohn der Klägerin auf dem Stellplatz Nummer rückwärts heraus. Dabei kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug der Beklagten.

Aus dem Urteil des Landgerichts Heidelberg (3 O 93/14)

Bei dem Privatgelände der Tiefgarage ist weder ein öffentlicher Verkehr eröffnet noch wird eingangs darauf hingewiesen, dass die Regeln der StVO gelten sollen, so das Urteil des LG Heidelberg (Az. 3 O 93/14).  Jedoch trifft die Verkehrsteilnehmer die Pflicht zur gesteigerten Rücksichtnahme.

Da Parkplätze dem ruhenden Verkehr dienen, trifft der dort rückwärts Ausparkende nicht auf fließenden Verkehr, sondern auf Benutzer der Parkplatzfahrbahn. Daher sind die gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten, verglichen mit den Pflichten aus §§ 9, 10 StVO, erhöht und einander angenähert (OLG Hamm NJW-RR 2013, 33 Rn. 14 in juris; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 13. Auflage Randnr. 272).

Kein Vertrauensschutz zugunsten des "fließenden" Verkehrs

Einen Vertrauensgrundsatz zugunsten des "fließenden" Verkehrs gegenüber dem wartepflichtigen Ausfahrenden gibt es dabei nicht (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 8 StVO Rn. 31 a). Das führt dazu, dass bei Unfällen auf Parkplatzgeländen in der Regel für ein alleiniges Verschulden eines Verkehrsteilnehmers, insbesondere auch ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr, kein Raum ist. Vielmehr ist hier - anders als im fließenden Verkehr - regelmäßig ein im Rahmen der Haftungsabwägung zu berücksichtigendes Mitverschulden, jedenfalls aber die Betriebsgefahr, zu berücksichtigen (OLG Hamm aaO; Scheidler, DAR 2012, 313, 316).

Grundsätzlich Schrittgeschwindigkeit bei steter Bremsbereitschaft

Grundsätzlich ist in einer solchen Tiefgarage die sogenannte Schrittgeschwindigkeit bei steter Bremsbereitschaft einzuhalten (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 13. Auflage 2013 Randnr. 272 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Zwischenwege auf einem Parkplatz nicht als Straßen oder Fahrbahn im eigentlichen Sinne anzusehen sind. Sie dienen nicht wie eine Straße oder Fahrbahn dem fließenden Verkehr, sondern vor allem der Orientierung der Parkplatz suchenden sowie dem langsamen Ein- und Ausparken (vgl. auch OLG Oldenburg, Urteil vom 26.3.1982 - 11 U 74/81 - BeckRS 2008, 18794)

Höhere Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren

Auch auf privaten Parkplätzen trifft den rückwärts Fahrenden eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht im Vergleich zu den Sorgfaltspflichten, welche einem die Parkplatzfahrbahn befahrenden Fahrzeugführer obliegen. Denn beim Rückwärtsfahren sind die Sichtverhältnisse gegenüber dem vorwärts Fahrenden nicht unerheblich eingeschränkt, so dass diesem Fahrmanöver auch auf Parkplätzen eine höhere Gefahr als dem vorwärts fahrenden Fahrzeug inne wohnt (vgl. LG Saarbrücken, ZfSch 2011, 494; NJW-RR 2013, 33 Rn. 14 in juris).

Gericht:
Landgericht Heidelberg, Urteil vom 20.02.2015 - 3 O 93/14

LG Heidelberg
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