Der Sachverhalt
Ein Diplom-Ingenieur ist seit 1984 Eigentümer eines selbstbewohnten Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von ca. 78 m2. Das Haus ist inzwischen renovierungsbedürftig. Der 1950 geborene Mann wurde arbeitslos und erhielt nach Ausschöpfung des Arbeitslosengeldes zeitweise Hartz-IV-Leistungen.
Das Jobcenter gewährte ihm jedoch nur ein Darlehen für die Tilgungsraten, weil Sozialleistungen nicht der Bildung von Vermögen dienen sollten. Mittlerweile bezieht der Mann Rente und ist nicht mehr hilfebedürftig.
Das Urteil des Landessozialgericht Hessen (L 6 AS 422/12)
Die Richter verurteilten das Jobcenter für die Tilgungsraten einen Zuschuss anstelle eines Darlehens zu gewähren. Zwar gehörten zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, für die Grundsicherungsleistungen als Zuschuss zu erbringen seien, grundsätzlich nicht die Tilgungsraten. Denn diese Leistungen seien auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollten nicht der Vermögensbildung dienen. Hier liege jedoch ein Ausnahmefall vor.
Der Mann habe das Haus gekauft, als er noch keine Hartz-IV-Leistungen bezogen habe
Aus dem Urteil: [...] Die Finanzierung war im streitgegenständlichen Zeitraum des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen. Dabei ist nicht in isolierter Betrachtung auf den jeweiligen noch laufenden Kreditvertrag abzustellen, sondern auf das Verhältnis zwischen Kaufpreis bzw. Gesamtkreditsumme und Restschuld (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 79/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 48, Rn 20: "langjährig bewohntes und bereits fast abbezahltes Wohneigentum"). Nach Auffassung des Senats ist dabei das Verhältnis von Zins und Tilgung für die Bewertung der "weitgehend abgeschlossenen Finanzierung" zwar nicht völlig zu vernachlässigen (siehe auch BSG a.a.O. Rn. 19), aber nicht von allein ausschlaggebender Bedeutung, zumal das Verhältnis von Zins und Tilgung durch den Leistungsberechtigten während des Leistungsbezuges steuerbar ist (vgl. auch Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn. 169a), wenn während des Leistungsbezuges die Zinsbindung ausläuft und zudem - wie hier - von der Ausgestaltung einer Anschlussfinanzierung abhängen kann, deren Faktoren außerhalb des Leistungsbezuges naturgemäß anders sind als während des Leistungsbezuges. Insofern streitet der Umstand für den Kläger, dass das Bauspardarlehen in den unmittelbar dem streitgegenständlichen Zeitraum nachfolgenden Monaten vollständig getilgt werden konnte. Als maßgeblicher Gesichtspunkt der letztlich im Wege der Abwägung zu beantwortenden Frage, wann eine Finanzierung weitgehend abgeschlossen ist, ist in Beziehung zu setzen, ob die Vermögensbildung weitgehend abgeschlossen ist und hinter dem Erhalt des Wohnraums der Aspekt der zweckwidrigen Vermögensmehrung zurücktritt. Hierfür kommt es - wie bereits erwähnt - auf das Verhältnis von Kaufpreis und Restschuld (Tilgung) und als Hilfskriterium auf die Dauer der Stellung als selbst nutzender Eigentümer an (BSG a.a.O. Rn. 20). Weiterhin müssen auch Umstände berücksichtigt werden, nach denen von vornherein feststeht, dass die Vermögensmehrung wegen absoluter Geringfügigkeit oder begrenzter Leistungsdauer von zu vernachlässigender Bedeutung ist. Insbesondere der Aspekt einer Rentennähe kann hier in den Abwägungsprozess einfließen (zur Bedeutung dieses Topos im Rahmen des SGB II vgl. z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 35/08 R). [...]
Drohender Verlust des Hauses
Wenn die Tilgungsraten nicht übernommen worden wären, hätte der Verlust des Hauses gedroht. Das vom Bundessozialgericht aufgestellte Erfordernis einer konkreten Bedarfssituation zur Abwendung des Wohnungsverlustes ist demnach erfüllt, wenn der Senat mit hinreichender Gewissheit davon überzeugt ist, dass der konkrete Kreditgeber den Kredit gekündigt und die Verwertung angestrebt hätte. Das ist hier der Fall.
Finanzierung war weitgehend abgeschlossen
Auch sei die Finanzierung bereits weitgehend abgeschlossen gewesen, da die Resttilgungsschuld nur noch 18,7 % betragen habe. Zudem sei aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Verrentung nur von einem Gesamtleistungsbezug auf die Tilgung von ca. 2,7 % auszugehen.
Die Übernahme der monatlichen Tilgungsraten sei auch angemessen, da die Gesamtleistungen für die Unterkunft einschließlich der Tilgung unter den in der Stadt als angemessen geltenden Mietkosten in Höhe von 360 € für einen Ein-Personen-Haushalt lägen.
Rechtsgrundlagen:
§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2
Gericht:
Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 29.10.2014 - L 6 AS 422/12
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