Ein Polizist ist Beschuldigter in einem Sexualstrafverfahren. Mit Eilantrag wandte er sich gegen eine sofort vollziehbare Anordnung des Polizeipräsidiums, die erkennungsdienstliche Erfassung zu dulden, die auch die Anfertigung von Lichtbildern seines Geschlechtsteils umfasste.
Der Sachverhalt
Der Antragsteller war im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung und ist es auch noch derzeit Beschuldigter in einem Strafverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB i.V.m. § 184b, 52, 22, 23 StGB.
Das Verwaltungsgericht Cottbus hat den Eilantrag eines Polizisten abgelehnt, mit dem er sich gegen eine sofort vollziehbare Anordnung des Polizeipräsidiums wandte, die erkennungsdienstliche Erfassung von Fingerabdrücken sowie die Anfertigung von Lichtbildern des Gesichts und Körpers aber auch des Geschlechtsteils zu dulden.
Aus der Entscheidung
Nach den Feststellungen des Gerichts ist der Polizist Beschuldigter in einem Strafverfahren. Eine Verurteilung sei nicht erforderlich. Es genüge, dass der Betroffene Beschuldigter in einem Strafverfahren sei. Denn die Unschuldsvermutung gelte nicht bei präventiv-polizeilichen Maßnahmen, wie einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
Aus dem Beschluss: [...] Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen ist bei summarischer Prüfung in materieller Hinsicht offensichtlich rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 81b Alt. 2 StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm durchgeführt werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. [...] Soweit der Antragsteller darauf hinweist, es sei offen, ob er die ihm vorgeworfene Tat begangen habe, stellt der Umstand, dass der Antragsteller wegen dieses oder eines anders Deliktes bislang nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden ist, die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Maßnahme nicht in Frage. Für eine Maßnahme nach § 81b 2. Alt. StPO genügt die Eigenschaft als Beschuldigter in einem Strafverfahren; die Unschuldsvermutung gilt im Zusammenhang mit präventiv-polizeilichen Maßnahmen nicht. [...]
Das Gericht hat die Einschätzung des Polizeipräsidiums geteilt, wonach bei Sexualdelikten regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters mit einer erhöhten Rückfallgefahr auszugehen sei. Dies gelte nach Auffassung des Gerichts bei einem Polizeibeamten, der die Tat unter Nutzung seines privaten Facebook-Accounts von einem Dienstrechner begangen haben soll, im besonderen Maße. Wer bewusst das Risiko jederzeitiger Entdeckung durch Arbeitskollegen oder durch den Dienstherrn in Kauf nimmt, offenbart einen besonders ausgeprägten Hang zur Tatbegehung.
Lichtbild des Geschlechtsteils
Die Art der Begehung rechtfertige es, die Abbildung des Geschlechtsteils des Beschuldigten als notwendig und verhältnismäßig anzusehen. Insoweit könne auch die angeordnete Abbildung behilflich sein, zukünftig den Kreis von möglichen Tatverdächtigten einzugrenzen.
[...] Schließlich ist auch gegen die ausdrücklich angeordnete Abbildung des Geschlechtsteils des Antragstellers zum Zwecke des Erkennungsdienstes nichts zu erinnern; auch diese Maßnahme ist i.S.v. § 81 2. Alt. StPO notwendig und bewegt sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Der Antragsgegner führt insoweit zu Recht aus, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Antragsteller zu anderen Kindern Kontakt gesucht hat und es hierbei zum Austausch von Fotos, vor allem Nacktfotos, gekommen sein könnte.
Dass der Antragsgegner die so gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht (nur) zu repressiven Maßnahmen, also zur Aufklärung von bereits begangenen Straftaten nutzen möchte, sondern zu präventiven Zwecken für notwendig erachtet, wird entgegen der Ansicht des Antragstellers hinreichend deutlich. So führt der Antragsgegner nämlich aus, dass es (auch) der Aufnahme des Geschlechtsteils des Antragstellers bedürfe, um diesen in ähnlich gelagerten oder zukünftigen Fällen entweder schneller als Täter ermitteln oder gegebenenfalls auch ausschließen zu können.
Dass insoweit Abbildungen des Geschlechtsteils des Antragstellers bei der Identifizierung eines Tatverdächtigen im Bereich pädophil-sexueller Delikte belastend oder entlastend hilfreich sein können, liegt hierbei auf der Hand. Sexualdelikte sind davon geprägt, dass den Geschlechtsorganen bei der Tatbegehung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Geschehen diese -wie im Internet nicht unüblich- durch Austausch von Bildern, kann insoweit ein Abgleich mit im Rahmen des Erkennungsdienstes gewonnenen Bildern erfolgen.
Es liegen im vorliegenden Fall aufgrund der Anlasstat auch hinreichend gewichtige Anhaltspunkte vor, dass es im Fall des Antragstellers zu solchen Handlungen kommen kann, in welchem auch der Antragsteller Bilder seines Intimbereichs verschicken könnte. Im Rahmen der Anlasstat hat nämlich der Antragsteller nicht nur Fotos des minderjährigen Mädchens begehrt. Er soll vielmehr auch Fotos von sich verschickt haben. Auch wenn er auf diesen Bildern lediglich mit seinem Gesicht und unbekleideten Oberkörper zu sehen sein soll, ist dies gleichwohl hinreichend gewichtiges Indiz für die Annahme, dass der Antragsteller sich nicht nur auf das Konsumieren von Bildern von anderen Personen beschränken sondern auch bereit sein dürfte, Fotos von sich zu versenden, so dass die vom Antragsgegner aus kriminalistischer Erfahrung gewonnene Annahme, es könne zum Austausch von Nacktfotos kommen, auch im Falle des Antragstellers nicht fernliegend ist. [...]
Merkmale des Penis
[...] Der Einwand des Antragstellers greift nicht, dass es fraglich sei, wie eine Abbildung des Penis im schlaffen Zustand zu einer Identifizierung auf einem versendeten Bild im dann wohl eher erregten Zustand führen könne, da es einen erheblichen Unterschied mache, ob der Penis im erigierten oder schlaffen Zustand abgebildet werde. Zwar mag es zutreffen, dass ein Penis (im erigierten oder weniger stark durchbluteten Zustand) und das Scrotum nicht mit der Eindeutigkeit eine Identifizierung seines Trägers zulassen, wie etwa Gesichtszüge eine bestimmte Person kennzeichnen.
Gleichwohl weisen diese Körperteile Merkmale und eine Variationsbreite hinsichtlich Größe, Farbe und Gestalt auf, die zumindest eine Eingrenzung der in Betracht kommenden Verdächtigten ermöglichen. Sie können zudem besondere angeborene (z.B. ein Muttermal oder Leberfleck) oder erworbene (z.B. Warzen, Tattoo, Piercing, Narben) Merkmale besitzen, die den Kreis der möglichen Verdächtigen noch weiter einschränken. [...]
Gericht:
Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 14.02.2018 - VG 3 L 95/18
VG Cottbus
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