Der Kläger befuhr die Zufahrt einer Waschstraße und übersah beim Abbiegen eine Palette mit restlichen Pflastersteinen. Die Palette befand sich außerhalb einer Baustellenabsperrung. Der Kläger sieht darin eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und verlangt Schadensersatz.

Der Sachverhalt

Die Beklagte zu 1), ein Autohaus, betreibt auf ihrem Betriebsgelände eine Autowaschanlage. Die als Beklagte zu 2) in Anspruch genommene Bauunternehmung hatte auf diesem Betriebsgelände Bauarbeiten durchgeführt und hierzu die Baustelle mit Zäunen und Warnbalken abgesperrt.

Außerhalb dieser Absperrung befand sich bei der Zufahrt zur Waschstraße eine Europalette mit mindestens zwei Lagen Pflastersteinen. Nach einem Abbiegevorgang kollidierte der Kläger mit seinem Pkw, Mercedes S-Klasse, auf der Einfahrt zur Waschstraße mit der dort gelagerten Palette mit Pflastersteinen und forderte nun Ersatz für die an seinem Fahrzeug hierdurch entstandenen Schäden.

Der Kläger hatte nach eigenen Angaben die unsachgemäß gelagerten Steine nicht sehen können, weshalb es zur Kollision gekommen sei.

Demgegenüber machten die Beklagten geltend, der Kläger sei unaufmerksam und mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren und deshalb mit der ansonsten ohne weiteres sichtbaren Palette kollidiert.

Amtsgericht weist Klage ab

Das zuständige Amtsgericht Lichtenfels (Urteil, Az. 1 C 16/15) wies die Klage ab. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht liegt danach nicht vor, jedenfalls aber tritt eine solche hinter dem weit überwiegenden Verschulden des Klägers zurück. Hierbei hat das Amtsgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger die Bauarbeiten erkannt hat und dass die Einfahrt zur Waschstraße auch ohne die Palette bereits soweit verengt gewesen war, dass besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten waren.

Auch hätte der Kläger mit Baufahrzeugen und herumliegenden Baumaterialien rechnen müssen. Die Palette hat der Kläger danach bereits bei Beginn des Abbiegevorgangs erkennen können und hätte darauf entsprechend reagieren müssen.

Die Entscheidung des Landgerichts Coburg

Das Landgericht Coburg (Urteil, Az. 32 S 5/16) hat die gegen das klageabweisende amtsgerichtliche Urteil geführte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Einwände des Klägers, wegen der auffallend ordentlichen Baustelle habe er nicht mit Hindernissen außerhalb der Baustelle rechnen müssen und die Palette sei auf aufgrund der Größe seines Fahrzeuges, insbesondere der Länge der Motorhaube, für ihn nicht erkennbar gewesen, überzeugten auch das Landgericht nicht.

Schon nach allgemeiner Lebenserfahrung ist danach gerade bei Pflasterarbeiten damit zu rechnen, dass sich noch zu verlegende Steine auf Paletten gelagert neben der Baustelle befinden. Deren besondere Absicherung ist nach der Entscheidung des Landgerichts in nur mit Schrittgeschwindigkeit zu befahrenen Bereichen nicht üblich und würde außerdem die Bauarbeiten behindern.

Die besondere Größe des klägerischen Fahrzeuges ändert am Umfang der Verkehrssicherungspflicht nichts. Vielmehr ist hierdurch gerade umgekehrt die Sorgfaltspflicht desjenigen Fahrers eines besonders großen und unübersichtlichen Autos gesteigert.

Kläger hätte notfalls aussteigen müssen

Der Kläger hätte nach dem landgerichtlichen Urteil notfalls aussteigen und sich den erforderlichen Überblick verschaffen müssen.

Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht stellen beide erkennenden Gerichte ein weiteres Mal darauf ab, dass eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, nicht zu erreichen ist. Dritte sind vielmehr nur vor solchen Gefahren zu schützen, die sie selbst bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden können. Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen man sich ohne weiteres selbst schützen kann, begründen damit in der Regel also keine besonderen Verkehrssicherungspflichten.

Größeres Fahrzeug führt zu höheren Sorgfaltspflicht

In einem weiteren Aspekt zeigt die Entscheidung des Landgerichts, dass gerade die außergewöhnliche Größe bzw. Unübersichtlichkeit des geführten Kraftfahrzeuges im Falle eines Unfalls nicht als Rechtfertigung dienen kann, sondern im Gegenteil für den Fahrzeugführer erhöhte Sorgfaltspflichten begründet.

Gericht:
Landgericht Coburg, Urteil vom 24.06.2016, 32 S 5/16

LG Coburg, PM
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