Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf Familienzusammenführung ablehnen, wenn sich aus einer Prognose ergibt, dass der Zusammenführende während des Jahres nach der Antragstellung nicht über feste, regelmäßige und ausreichende Einkünfte verfügen wird.

Die Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung - ABl. L 251, 12) soll die Zusammenführung von Familienangehörigen fördern, die keine EU-Bürger sind. Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten u.a. dem Ehegatten des Zusammenführenden die Einreise und den Aufenthalt gestatten, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind (so muss der Zusammenführende nachweisen, dass er über Wohnraum, über eine Krankenversicherung und über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen).

Die Mitgliedstaaten dürfen einen Antrag auf Familienzusammenführung ablehnen oder ggf. den Aufenthaltstitel eines Familienangehörigen entziehen oder seine Verlängerung verweigern, wenn die in der Richtlinie festgelegten Bedingungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind.

Richtlinie erlaubt den Nachweis regelmäßiger Einkünfte

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten erlaubt, den Nachweis zu verlangen, dass der Zusammenführende über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen.

Auch wenn die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Befugnis einräumt, zu prüfen, ob die Voraussetzung fester, regelmäßiger und ausreichender Einkünfte des Zusammenführenden über den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung hinaus fortbestehen wird, kann sie nicht dahin ausgelegt werden, dass sie einer solchen Befugnis entgegensteht. Die Richtlinie sieht nämlich ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten die Regelmäßigkeit der Einkünfte prüfen müssen, was eine periodische Prüfung ihrer Entwicklung einschließt. Der Zusammenführende muss nicht nur nachweisen, dass er zum Zeitpunkt der Prüfung seines Antrags auf Familienzusammenführung über ausreichende Einkünfte verfügt, sondern diese Einkünfte müssen auch fest und regelmäßig sein, was eine prognostische Prüfung dieser Einkünfte durch die zuständige nationale Behörde voraussetzt.

Der Gerichtshof hebt hervor, dass diese Auslegung dadurch gestützt wird, dass der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie auf Zusammenführende beschränkt ist, die im Besitz eines Aufenthaltstitels für mindestens ein Jahr sind und begründete Aussicht darauf haben, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen. Die Beurteilung, ob eine solche Aussicht vorliegt, erfordert aber zwangsläufig eine Prüfung der künftigen Entwicklung der Situation des Zusammenführenden im Hinblick auf die Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts. Im Übrigen impliziert die Möglichkeit, einem Familienmitglied den Aufenthaltstitel zu entziehen oder nicht zu verlängern, wenn die in der Richtlinie festgelegten Bedingungen nicht mehr erfüllt sind, dass die Mitgliedstaaten verlangen dürfen, dass der Zusammenführende über den Zeitpunkt seiner Antragstellung hinaus über feste, regelmäßige und ausreichende Einkünfte verfügt. Diese Auslegung wird schließlich auch durch einen der Normzwecke der Richtlinie bestätigt.

Sicherstellung, dass nicht die Sozialhilfe des Mitgliedstaats in Anspruch genommen werden muss

Denn der Nachweis, dass die Einkünfte fest, regelmäßig und ausreichend sind, ermöglicht es dem Mitgliedstaat sicherzustellen, dass weder der Zusammenführende noch seine Familienangehörigen nach der Familienzusammenführung Gefahr laufen, während ihres Aufenthalts die Sozialhilfe des Mitgliedstaats in Anspruch nehmen zu müssen.

Gericht:
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 21.04.2016 - C-558/14

Quelle: EuGH, PM  42/2016
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