Die Gemeinde haftet nicht, wenn eine Gefahrenquelle gut erkennbar ist und der Fußgänger den Zustand des Gehweges kannte. Die Entschärfung einer Gefahrenquelle (Erneuerung der Gehwegplatten), kann nicht als Anerkenntnis einer Verkehrssicherungspflicht gedeutet werden.

Der Sachverhalt

Im November 2008 stürzte eine Frau gegen 21.00 Uhr in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung auf dem Gehweg, weil sie wegen zwei fehlenden Gehwegplattten in ein Loch trat. Nachmittags, als sie das Haus verlassen habe, seien die Platten noch vorhanden gewesen. Allerdings seien die Gehwegplatten bereits seit Monaten locker gewesen. Ihr Ehemann habe bereits im April 2008 die Stadt darüber in Kenntnis gesetzt. Mit ihrer Klage begehrt sie nun Schadensersatz, weil sie die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sieht.

Die Entscheidung

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Für die Klägerin habe es sich nicht um eine nur schwer beherrschbare Gefahrensituation gehandelt, da sie nach ihrem eigenen Vortrag von der Reparaturbedürftigkeit des Gehwegs gewusst habe. Ausschlaggebend sei aber in erster Linie der Umstand, dass sich nicht die Gefahr der lockeren Platten, sondern die Gefahr realisiert habe, dass Unbekannte in den Stunden vor dem behaupteten Unfall eine oder zwei Platten vom Gehweg entfernt haben. Es liege somit keine Verkehrsicherungspflichtverletzung vor.

Straßenmeister hat keine Reparaturmaßnahmen vorgenommen

Obwohl die Klägerin die Beklagte bereits im April 2008 in Kenntnis setzte, dass einzelne Platten des Gehwegs locker waren und die Beklagte bis zum Unfalltag untätig blieb, begründet dies keinen Anspruch auf Schadensersatz. Im August 2008 war ein Straßenmeister da, der sich den Gehweg angeschaut, aber keine Reparaturmaßnahmen vorgenommen habe. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht lässt sich diesem Vortrag nicht entnehmen.

Lockere Gehwegplatten können leichter beseitigt werden

Auch der Umstand, dass auf Grund der Lockerung der Gehwegplatten deren Beseitigung durch Dritte einfacher möglich war, begründet keine Haftung. Denn der Verkehrssicherungspflichtige ist nicht verpflichtet, Gefahren zu beseitigen, die erst durch das Eingreifen Dritter entstehen. Um einen solchen Fall handelt es sich aber hier.

Keine Anerkenntnis einer Verkehrssicherungspflicht

Ein Anspruch der Klägerin ist schließlich auch nicht deshalb begründet, weil die Beklagte nach dem Unfall den Gehweg erneuert hat. Die Entschärfung einer Gefahrenquelle, kann nicht als Anerkenntnis einer Verkehrssicherungspflicht gedeutet werden (Senatsurteil vom 10.11.2004. Az.: 4 U 432/04). Ein Verhalten der Beklagten nach dem Unfall ist deshalb nicht geeignet, eine Verkehrssicherungspflicht zu begründen.

Eigenverschulden der Klägerin


Die Klägerin wohnt unmittelbar an der Unfallstelle. Ihr war der schlechte Zustand des Gehweges ebenso bekannt, wie die Beleuchtungssituation. Entschließt sie sich, in der Dunkelheit diesen Weg zu benutzen, obwohl sie ihr Ziel auch über die andere besser beleuchtete Gehwegseite hätte erreichen können, so hätte sie hierbei äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Hätte sie das getan, hätte sie das Fehlen der Platten und das entstandene Loch bemerken müssen.

Themenindex:
Verkehrssicherungspflicht, Gehwegschäden

Gericht:
OLG Jena, Beschluss vom 08.02.2011 - 4 U 1040/10

Redaktion Rechtsindex
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