Werden fortlaufend abgeschnittene Bestandteile erzeugter Jagdwürste der weiteren Jagdwurstproduktion zugegeben, kann nicht mehr von einer Spitzenqualität gesprochen werden. Verbraucher erwarten bei so einer Qualitätsbezeichnung nicht die Wiederverwendung von Wurstabschnitten.

Solch eine Jagdwurst darf nach dem Verwaltungsgericht Berlin nun nicht mehr mit den Zusätzen "Delikatessjagdwurst" oder "Spitzenqualität" bezeichnet und angeboten werden.

Der Sachverhalt

Ein Wursthersteller trennt zur Gewährleistung einheitlicher Scheibengröße und Packungsgewicht vor dem Aufschneiden der bereits gebrühten Jagdwurststangen deren Endstücke ab. Diese werden sodann, da das Muskeleiweiß im verarbeiteten Brät bereits geronnen ist, in einem als ‚Zerkuttern‘ bezeichneten Prozess fein zerkleinert, dem rohen Ausgangsmaterial der weiteren Jagdwurstproduktion zugegeben, in Hüllen abgefüllt und erneut gebrüht. Dieses als „Rework“ bezeichnete Herstellungsverfahren wiederholt sich fortlaufend während des Produktionsprozesses. Die Würste wurden als Spitzenqualität oder Delikatessjagdwurst bezeichnet und verkauft.

Die Berliner Lebensmittelaufsichtsbehörde beanstandete diese Bezeichnung einer im Berliner Lebensmittelhandel angebotenen Jagdwurst als irreführend beanstandet.

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht Berlin hat sich der Ansicht der Berliner Lebensmittelaufsicht angeschlossen. Nach der für die Beurteilung einer Irreführung maßgeblichen Verbrauchererwartung seien hervorhebende Zusätze zur Bezeichnung eines Fleischerzeugnisses wie „Delikatess-„ oder „Spitzenqualität“ solchen Produkten vorbehalten, die sich von den unter der betreffenden Bezeichnung sonst üblichen Erzeugnissen durch besondere Auswahl des Ausgangsmaterials unterschieden, so das Gericht.

Auch wenn sich das geschilderte Herstellungsverfahren nicht nachteilig auf Konsistenz oder Geschmack der Jagdwurst auswirke, stünden für den Verbraucher die Auswahl und die Frische des Ausgangsmaterials in einem unauflösbaren Zusammenhang mit seiner Qualitätsvorstellung vom Endprodukt. Werde ihm durch hervorhebende Zusätze zur Produktbezeichnung dessen besondere Qualität signalisiert, so erwarte er auch bei einer industriell gefertigten Brühwurst nicht die Wiederverwendung von Wurstabschnitten.

Die Verfahrensweise der Klägerin führe dazu, dass bereits gebrühtes Brät einer bestimmten Produktionscharge nicht nur einmalig, sondern über mehrere Produktionszyklen hinweg mehrfach Eingang in die erneute Produktion finde. Ein derart hergestelltes Produkt erfüllt ersichtlich nicht die Verbrauchererwartungen an ein Produkt, dessen Bezeichnung die Herstellung aus besonders ausgewählten Ausgangsmaterialien voraussetze.

Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Gericht:
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil der 14. Kammer vom 6. Juli 2011 - VG 14 A 7.08

Quelle: PM des VG Berlin (Nr. 32/ 2011)
Rechtsindex

Weitere Urteile zu:
Irreführung
Ähnliche Urteile:

Auf einer Internetseite, über die Hotelübernachtungen vermittelt werden, muss schon im ersten Buchungsschritt klar ausgewiesen sein, dass zu dem dort angegebenen Übernachtungspreis noch Vermittlungsgebühren des Webseitenbetreibers hinzukommen. Urteil lesen

Autoverkauf - Es ist irreführend, wenn zusätzlich zur Verwendung des Begriffs "Jahreswagen" auf die Anzahl der Vorbesitzer abgestellt werde, ohne dass über die Art des Vorbesitzes aufgeklärt werde. Urteil lesen

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mahnte ein Möbelhaus wegen irreführender Werbung mit einer so genannten Tiefpreisgarantie erfolgreich ab. Dem betroffenen Kunden wurde der eingeforderte Differenzbetrag vom Unternehmen erstattet. Urteil lesen

Nürnberg (D-AH) - Ist das Ende eines Räumungsverkaufs für die Veranstalter auszumachen, muss das auch auf den Hinweis- und Werbeschildern für die Verbraucher klar erkenntlich sein. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de