Eine Anwaltskanzlei klagte auf Unterlassung, weil der Vermieter im unteren Stockwerk mit umfangreichen Bauarbeiten begonnen hatte. Geistig-gedankliche Tätigkeiten müssten grundsätzlich ungestört durchgeführt werden können. Lärm oder sonstige Immissionen seien grundsätzlich zu unterlassen.

Der Sachverhalt

Die Klägerin mietete Räumlichkeiten im 4. Stock eines Gebäudes und betreibt dort eine Rechtsanwaltskanzlei. Das Mietverhältnis ist bis zum 31.12.2023 befristet. Die Beklagten erwarben die Liegenschaft 2018 und baten die Klägerin um vorzeitigen Auszug.

Sie planten, das Gebäude selbst zum Betrieb ihres Bankinstituts zu nutzen. Nachdem die Anwaltskanzlei einem vorzeitigen Mietende nicht zugestimmt hatte, kündigten die Beklagten mehrfach umfangreiche Umbau- und Modernisierungsarbeiten an. Da die Anwaltskanzlei sich nachfolgend auch nicht gegen Abstandszahlung auf einen vorzeitigen Auszug eingelassen hatte, wiesen die Beklagten erneut auf die bevorstehende umfassende Sanierung des Objekts hin.

Seit Mitte November 2018 werden die Bauarbeiten in den unteren Geschossen durchgeführt, u.a. der Abbruch massiver Innenwände, die Entfernung des gesamten Bodenbelags und weitere Entkernungsmaßnahmen.

Die Kanzlei als Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassen der Umbaumaßnahmen in Anspruch. Das Landgericht Frankfurt (Urteil, Az. 2-28 O 246/18) hat ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattgegeben.

Die Entscheidung

Die hiergegen gerichtete Berufung der Vermieter hatte auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil, Az. 2 U 3/19) keinen Erfolg. Mietet eine Rechtsanwaltskanzlei Räumlichkeiten an, kann sie verlangen, dass der Vermieter keine lärm-, erschütterungs- und staubintensiven Umbau- und Modernisierungsarbeiten im gesamten Haus zur Ermöglichung einer anderen Nutzung durchführt.

Die Kanzlei ist auch nicht zur Duldung der Arbeiten außerhalb der üblichen Bürozeiten oder am Wochenende verpflichtet, da Rechtsanwälte gerichtsbekannt regelmäßig auch außerhalb der gängigen Geschäftszeiten arbeiten.

Aus der Begründung

Die Beklagten, so das Oberlandesgericht, müssten der Klägerin den vertragsgemäßen Gebrauch der Räume bis zum Vertragsende am 31.12.2023 gewähren. Der vertragliche Nutzungszweck der Räume liege in dem Betrieb eines Rechtsanwalts- und Notariatsbüros. Die hiermit zusammenhängenden geistig-gedanklichen Tätigkeiten müssten grundsätzlich ungestört durchgeführt werden können.

Die Beklagten hätten deshalb "Störungen dieses vertragsgemäßen Gebrauchs, insbesondere durch Lärm, Erschütterungen, Staub, Verschmutzungen oder sonstige Immissionen grundsätzlich zu unterlassen und zugleich solche Störungen durch Dritte abzuwehren".

Die bereits durchgeführten und noch geplanten Bauarbeiten verletzten "aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs, ihrer Intensität und ihrer Dauer den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache". Der geplante Abbruch sämtlicher Zwischenwände sowie Bodenbeläge in allen Stockwerken mittels elektrisch betriebener Schlagbohrmaschinen und Vorschlaghammer verursache zwangsläufig ganz erhebliche Lärm- und Staubbelästigungen sowie massive Erschütterungen.

Derart umfängliche Arbeiten stellten auch keine Renovierungs- und Umbauarbeiten dar, mit denen ein Mieter - etwa im Zusammenhang mit einem Mieterwechsel - rechnen müsse und die deshalb hinzunehmen seien. Eine Duldungspflicht ergebe sich auch nicht aus § 9.1 des Mietvertrags. Die Arbeiten dienten nicht der "Modernisierung" oder "Verbesserung" in diesem Sinne. Es fehle an einer dafür erforderlichen nachhaltigen objektiven Erhöhung des Gebrauchswerts. Allein die Renovierung und Umgestaltung im Interesse einer anderen Nutzung genüge nicht.

Schließlich sei die Klägerin auch nicht aus Treu und Glauben heraus verpflichtet, die Baumaßnahmen zu dulden. Auch bestehe keine Verpflichtung der Klägerin, die Umbaumaßnahmen jedenfalls zeitweise etwa außerhalb der üblichen Bürozeiten oder zu bestimmten Nachtzeiten oder am Wochenende zu dulden.

Gericht:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.03.2019 - 2 U 3/19

OLG Frankfurt, PM
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