Nach der Entscheidung des LG Darmstadt (Az. 25 T 138/13) ist der Vermieter nicht berechtigt, die Sendungen ohne Nachfrage bei dem bisherigen Mieter einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu werfen.
Der Sachverhalt
Wie die Deutsche Anwaltshotline mitteilt, erhielt eine Rechtsanwältin nach Auszug aus ihren Kanzleiräumen noch immer Geschäftspost unter dieser Adresse. Das Mietverhältnis endete offMietensichtlich nicht im Guten, denn die Ex-Vermieterin informierte sie per E-Mail mit den Worten: "Ich habe aus bekannten Gründen wahrlich keine Veranlassung mehr, Ihnen gegenüber in irgendeiner Weise hilfsbereit zu sein. Dennoch informiere ich Sie über meinen Fund."
Am nächsten Vormittag bemühten sich Mitarbeiter der Anwältin, die Post abzuholen - jedoch ohne Erfolg. Die ehemalige Vermieterin aber forderte ihre Ex-Mieterin in einer weiteren E-Mail auf, sie nicht weiter zu belästigen. Daher blieb der Rechtsanwältin nichts anderes übrig, mit einer Einstweiligen Verfügung vom Amtsgericht die Herausgabe ihrer Post zu erzwingen. Dieser aber widersprach die Vermieterin mit der Begründung, sie hätte die Briefe einfach in einen öffentlichen Briefkasten der Deutschen Post geworfen. Die Briefe sind nie an der neuen Adresse angekommen.
Die Rechtsanwältin nahm daraufhin den Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung zurück und das Amtsgericht erlegte die Kosten des Verfahrens der Vermieterin auf. Die Vermieterin erhob sofortige Beschwerde und führt aus, es habe sowohl an einem Verfügungsanspruch als auch an einem Verfügungsgrund gefehlt.
Die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt (Az. 25 T 138/13)
Der Vermieterin sind zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Das Landgericht Darmstadt stellte klar, dass die Vermieterin die Pflicht hatte, die vorgefundene Geschäftspost der Anwältin auszuhändigen. Diese Pflicht ergibt sich gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben als nachwirkende Pflicht aus dem beendeten Mietvertrag.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass den Vermieter als nachwirkende vertragliche Nebenpflichten Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich von nicht offensichtlich wertlosen Gegenständen und Einrichtungen trifft, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt (vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1971, VI ZR 191, 69, juris; Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 546 Rn. 59; Bieber in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 546 Rn. 9). Das Ausmaß der Pflichten hängt dabei davon ab, ob der Mieter den Besitz der Mietsache freiwillig aufgegeben und dabei die Gegenstände zurückgelassen hat oder ob sich der Vermieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht bzw. im Wege der (vermeintlichen) Selbsthilfe wieder verschafft und dabei die Gegenstände vorgefunden hat.
Nichts anderes kann für Postsendungen gelten, die für den Mieter bestimmt sind und nach dessen Auszug in den Gewahrsam des Vermieters geraten. Auch hier ist er aufgrund der nachwirkenden vertraglichen Obhuts- und Aufbewahrungspflichten nicht berechtigt, sich dieser Sendungen einfach zu entledigen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn es sich - wie hier - nicht nur um unwichtige Werbesendungen sondern ersichtlich um wichtige Geschäftspost für ein Anwalts- und Notarbüro handelt.
"Die Post des verzogenen Ex-Mieters einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu entsorgen ist schon allein deswegen nicht richtig, weil die Sendungen auch von anderen Postdienstleistern stammen könnten", erklärt die Deutsche Anwalthotline. Bevor die Vermieterin das aber tat, hätte sie die Post zumindest neu adressieren müssen. Da so aber weder die Briefe hätten ankommen können noch die Anwältin die Möglichkeit hatte, die Post abzuholen, hat nun die nachlässige Vermieterin die Verfahrenskosten zu tragen.
Gericht:
Landgericht Darmstadt, Beschluss vom 30.12.2013 - 25 T 138/13
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