Wer Verfahrenskostenhilfe (VKH) für ein familienrechtliches Verfahren gegen den anderen Ehegatten beantragt, muss hinnehmen, dass das Familiengericht seine Angaben zu Einkommen und Vermögen dem anderen Ehegatten zur Überprüfung zusendet, selbst wenn es in dem Verfahren nicht um unterhaltsrechtliche Auskunftsansprüche geht.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall beantragte die getrennt lebende Ehefrau beim Amtsgericht, ihr die Ehewohnung vorläufig zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Für dieses gerichtliche Verfahren beantragte sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Diesem Antrag fügte die Ehefrau die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen bei.

Das Amtsgericht beschloss nach Anhörung der Antragsstellerin, die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfeantrag an den Ehemann als Antragsgegner zu übermitteln. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie vertrat die Auffassung, es bestehe kein Recht zur Übersendung der Unterlagen, da zwischen den Beteiligten weder Trennungs- noch Kindesunterhaltsansprüche anhängig gemacht worden seien. Eine andere Auslegung der Vorschrift würde dazu führen, dass in allen familienrechtlichen Verfahren zukünftig alle Unterlagen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der Gegenseite zugänglich gemacht werden könnten. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Entscheidung

Die Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Der zuständige 7. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz hat in seinem Beschluss die Entscheidung des Amtsgerichts Diez bestätigt, dass die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite zu übermitteln sind. Nach der Ergänzung des § 117 Abs. 2 ZPO durch Einfügung des Satzes 2 durch das FGG-Reformgesetz sei dem Gericht grundsätzlich die Befugnis eingeräumt worden, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gegner zur Einsichtnahme und Stellungnahme zuzuleiten.

§ 117 Antrag ... (2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

Die Regelung solle nach der Begründung des Gesetzgebers dazu dienen, eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Angaben zu erreichen, weil der andere Beteiligte falsche oder fehlende Angaben aufdecken werde. Voraussetzung hierfür sei, dass zwischen den Beteiligten nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts ein Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen bestehe. Vorliegend bestehe ein solcher Anspruch nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB (Auskunftsanspruch unter getrennt lebenden Ehegatten). Bei Bestehen eines Auskunftsanspruchs könnten die Beteiligten grundsätzlich jederzeit gegenseitig Auskunft verlangen. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie von der Antragstellerin befürchtet, sei daher ebenso wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Mithin reiche die bloße Existenz eines Auskunftsanspruchs nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus. Es sei nicht Voraussetzung, dass der Auskunftsanspruch konkret fällig oder er Gegenstand des zugrunde liegenden Verfahrens sei.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat über die Beschwerde abweichend vom gesetzlichen Regelfall nicht in Einzelrichterbesetzung, sondern in der Besetzung mit drei Richterinnen und Richtern entschieden und hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gericht:
Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 4. November 2010 - 7 WF 872/10

Rechtsindex, PM des OLG Koblenz
Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de