Bestreitet der Rechtsanwalt den Empfang der Ladung zur mündlichen Verhandlung und ist das Empfangsbekenntnis nicht auffindbar, bedarf es eines sonstigen zweifelsfreien Nachweises, dass der Rechtsanwalt die Ladung erhalten hat. Das Gericht trägt die verfahrensrechtliche Beweislast für den Zugang der Ladung.

Der Sachverhalt

Der Rechtsanwalt des Klägers behauptet, dass er eine Ladung zur in seiner Abwesenheit durchgeführten mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2015 nicht erhalten hat. Das Gericht kann eine Empfangsbekenntnis nicht vorweisen, behauptet aber, diese hätte zum Termin vorgelegen, so dass die rechtzeitige Ladung festgestellt worden sei.

Amtliche Leitsätze des BVerwG

Wird eine Ladung zur mündlichen Verhandlung an einen Rechtsanwalt durch Empfangsbekenntnis zugestellt, kommt es für die Wirksamkeit der Zustellung darauf an, dass der Rechtsanwalt selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat. Bestreitet der Rechtsanwalt den Empfang der Ladung und ist das Empfangsbekenntnis nicht auffindbar, bedarf es eines sonstigen zweifelsfreien Nachweises, dass der Rechtsanwalt die Ladung erhalten hat. Das Gericht trägt die verfahrensrechtliche Beweislast für den Zugang der Ladung.

Aus den Entscheidungsgründen des BVerwG

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist gemäß § 56 Abs. 1 und 2 VwGO nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zuzustellen. Die Zustellung an einen Rechtsanwalt kann gemäß § 174 Abs. 1 ZPO gegen Empfangsbekenntnis erfolgen, welches den Nachweis für die Zustellung erbringt (§ 174 Abs. 4 ZPO) und die Zustellungsurkunde nach § 182 ZPO ersetzt. Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es darauf an, dass der Rechtsanwalt selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat.

Ein Empfangsbekenntnis für die Zustellung der Ladung für den 5. Februar 2015 befindet sich nicht bei den Akten und ist auch sonst nicht auffindbar. Der Verlust des Empfangsbekenntnisses nach Zustellung lässt zwar die Zustellungswirkungen nicht mehr entfallen; der Nachweis kann dann mithilfe anderer Beweismittel erbracht werden.

Auch wird der fehlende Nachweis einer formgerechten Zustellung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang des Dokuments geheilt. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dafür aber, dass der Rechtsanwalt zumindest konkludent bestätigt, das Schriftstück selbst erhalten und als zugestellt entgegengenommen zu haben.

Der betreffende Nachweis lässt sich hier nicht führen, weil der Bevollmächtigte des Klägers den Zugang der Ladung bestritten hat. Ohne einen Nachweis der Zustellung ist die Ladung jedoch nicht wirksam erfolgt.

Gericht trägt die verfahrensrechtliche Beweislast

Der Nachweis der Zustellung der Ladung ist deshalb nicht erbracht. Das Gericht trägt aber die verfahrensrechtliche Beweislast dafür, dass die Ladung zugegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2005 - 1 C 6.04 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 72 S. 70 zum Nachweis eines Anhörungsschreibens zu § 130a VwGO). Es ist Sache der Gerichtsorganisation, für die sorgsame Aufbewahrung der Empfangsbekenntnisse zu sorgen. Das Fehlen des Ladungsnachweises zwingt unter den vorliegenden Umständen zu dem Schluss, dass der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden ist. Eine ohne Teilnahme des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten durchgeführte mündliche Verhandlung verletzt den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und begründet einen wesentlichen Mangel des Gerichtsverfahrens.

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2015 - 9 B 33.15

BVerwG
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