Die Heranziehung eines Soldaten zu Schadensersatz wegen eines Autounfalls in Afghanistan war rechtswidrig, so das Urteil des VG Koblenz. Schadensersatz könne die Bundeswehr nur dann verlangen, wenn der Hauptmann den Unfall grob fahrlässig verursacht hätte.

Der Sachverhalt

Der Kläger, ein Hauptmann, war im Frühjahr 2011 in Afghanistan eingesetzt. In Mazar-e-Sharif befuhr er gegen 10:10 Uhr Ortszeit mit seinem Dienstfahrzeug die Flughafenstraße im Camp Marmal. Nach der Campordnung gelten 20 km/h. Auf Höhe einer abzweigenden Einfahrt kam es zu einem Verkehrsunfall mit einem von einem Oberfeldwebel geführten Fahrzeug.

Der Kläger befand sich im Überholvorgang, als das vor ihm fahrende Fahrzeug links abbiegen wollte. Bei der Unfallaufnahme wurde eine Bremsspur des vom Kläger geführten Fahrzeugs von 13,30 m festgestellt. Aufgrund dessen kam man zu der Einschätzung, dass der Hauptmann mit mindestens 40 km/h unterwegs gewesen sein müsse. Daraufhin forderte die Bundeswehr von dem Hauptmann mit Leistungsbescheid die Erstattung des an beiden Fahrzeugen entstandenen Schadens, der auf 2.114,70 € beziffert wurde. Hiergegen erhob der Hauptmann nach erfolglosem Beschwerdeverfahren Klage.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz

Die Klage hatte Erfolg. Der Bescheid, so die Koblenzer Richter, sei rechtswidrig. Schadensersatz könne die Bundeswehr nur dann verlangen, wenn der Hauptmann den Unfall grob fahrlässig verursacht hätte. Dies sei nicht der Fall. Dem Kläger sei zwar vorzuwerfen, bei seinem Überholvorgang die zulässige Höchstgeschwindigkeit um (mindestens) 20 km/h überschritten zu haben. Allerdings sei ein Überholen nicht verboten gewesen.

Kurze Geschwindigkeitsüberschreitung während eines Überholvorganges

Auch sei es keine fernliegende Überlegung, die Geschwindigkeit während eines Überholvorganges kurzfristig über das erlaubte Maß hinaus zu erhöhen, um den Überholvorgang und die damit verbundene erhöhte Gefährdungssituation möglichst schnell abzuschließen. Dieses Handlungsmotiv nehme der Pflichtverletzung zwar nicht ihre Rechtswidrigkeit, rechtfertige für sich genommen aber noch nicht die Annahme einer groben Fahrlässigkeit.

Keine grobe Fahrlässigkeit erkennbar

Auch die übrigen Umstände gäben hierfür nichts her. Die Straßenverhältnisse hätten ohne weiteres einen Überholvorgang erlaubt. Der Kläger habe auch nicht mit einem unvermittelten Linksabbiegen des zu überholenden Fahrzeugs rechnen müssen. Das Gericht teile vielmehr die Ansicht der mit den Verhältnissen am Einsatzort vertrauten Vorgesetzten des Klägers. Nach deren Einschätzung habe es sich bei dem Schadensfall um einen Unfall gehandelt, der im Lagerbetrieb täglich vorkommen könne.

Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.

Gericht:
Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 04.06.2013 - 1 K 1009/12.KO

VG Koblenz
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