Durch "Section Control" werden die Kfz-Kennzeichen aller in dem überwachten Abschnitt einfahrenden Fahrzeuge mit einer Kamera erfasst. Sowohl im sog. Treffer- als auch im sog. Nichttrefferfall fehlt es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Der Sachverhalt

"Section Control" ist eine neue Art der Geschwindigkeitskontrolle. An einem Kontrollpunkt werden die Kennzeichen der Fahrzeuge mit einer Kamera erfasst. An einem zweiten Kontrollpunkt, der hier 2,2km entfernt liegt, wird das Kennzeichen wieder erfasst. Nun wird eine Durchschnittgeschwindigkeit errechnet. Liegt diese über einen bestimmten Wert, werden die Daten weitergeleitet.

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht Hannover untersagt dem Land Niedersachsen, die amtlichen Kennzeichen eines jeden vom Antragsteller und Kläger geführten Fahrzeuges zu erfassen.

Mit der Erfassung wird in das verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen. Für einen solchen Eingriff bedarf es stets – auch ungeachtet der jeweiligen Schwere des Eingriffs – einer gesetzlichen Grundlage.

Dass "Section Control" sich noch im Probebetrieb befindet, ändert hieran nichts. Dies folgt auch aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand.

An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehlt es hier. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im Niedersächsischen Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizeirechts (LT-Drs. 18/850) eingebracht ist, in dem mit § 32 Abs. 8 NPOG-E eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll.

Ob eine solche Rechtsgrundlage in die Gesetzgebungskompetenz des Landes Niedersachsen fällt oder der Bundesgesetzgeber tätig werden müsste, lässt die Kammer dahingestellt, da jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt weder auf Bundes- noch auf Landesgesetzesebene eine Ermächtigungsgrundlage existiert.

Der Antragsteller und Kläger muss einen Eingriff in seine Rechte auch nicht während eines Probebetriebes von "Section Control" hinnehmen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt, dass die Exekutive nicht selbst so handeln darf, als hätte der Gesetzgeber sie hierzu schon ermächtigt. Der Staat ist auch nicht zwingend auf "Section Control" angewiesen. Er kann die Verkehrsüberwachung bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage auch auf andere Weise durchführen.

Gericht:
Verwaltungsgericht Hannover, Az. 7 A 849/19 (Klage), Az 7 B 850/19 (Eilverfahren)

VG Hannover
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