Wird der Fahrgast eines Busses beim Ausstieg durch ein den Bus auf der Ausstiegsseite passierendes Kraftfahrzeug verletzt, können alle Beteiligten - Fahrgast, Busfahrer und Fahrer des vorbeifahrenden Kfz - für den Unfall verantwortlich sein.

Der Sachverhalt

Die seinerzeit 13 Jahre alte Geschädigte war Fahrgast in einem beim beklagten Versicherer haftpflichtversicherten Linienbus. Kurz vor dem Ortseingang Warstein, etwa 200 m vor der nächsten Haltestelle musste der Bus wegen eines durch den Karnevalsumzug entstandenen Verkehrsstaus auf der B 55 halten.

Im dortigen Bereich hat die Straße einen befestigten Seiten-/Mehrzweckstreifen. Nachdem der Bus mehrere Minuten gestanden hatte, öffnete der Busfahrer auf Drängen von Fahrgästen, die ihren Anschlussbus noch rechtzeitig zu Fuß erreichen wollten, die Bustüren.

Nach Busausstieg von Pkw erfasst

Als die Geschädigte den Bus aus der hinteren Bustür verließ und auf die Straße trat, wurde sie von dem beim klagenden Versicherer haftpflichtversicherten Pkw erfasst und verletzt. Sie erlitt eine Sprunggelenksfraktur, die operativ versorgt werden musste. Die Fahrerin des Pkw hatte zunächst unmittelbar hinter dem Bus gestanden, sich dann aber entschlossen, rechts neben dem Bus auf den Seitenstreifen zu fahren, um dort anzuhalten und zu telefonieren. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Busfahrer das Warnblinklicht an dem Bus nicht eingeschaltet.

Die Geschädigte hat zunächst einen Schadensersatzprozess - 4 O 262/12 LG Arnsberg/ 11 U 30/15 OLG Hamm - gegen die PKW-Fahrerin und Fahrzeughalterin sowie den klagenden Haftpflichtversicherer geführt. In diesem wurden Fahrerin und Versicherer unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens der Geschädigten rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.

Der klagende Versicherer zahlte daraufhin bislang ca. 6.740 Euro an die Geschädigte. Die Hälfte dieses Betrages, ca. 3.370 Euro, verlangt er vom beklagten Haftpflichtversicherer des Fahrers und des Busunternehmens mit der Begründung erstattet, ein Verschulden des Busfahrers und die Betriebsgefahr des Linienbusses habe in diesem Umfang zum Unfallgeschehen beigetragen.

Die Entscheidung

Das auf eine Schadensteilung gerichtete Begehren des klagenden Versicherers war erfolgreich. Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat mit Beschluss vom 28.02.2018 darauf hingewiesen, dass sich der beklagte Versicherer zur Hälfte an der Haftungsquote des klagenden Versicherers zu beteiligen hat.

Das entsprach der bereits vom Landgericht Arnsberg für dieses Haftungsverhältnis im erstinstanzlichen Urteil vom 24.07.2017 ausgeurteilten Haftungsquote. Nach dem erteilten Hinweis hat der beklagte Versicherer am 19.03.2018 die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgenommen.

Alle Beteiligten tragen am Unfallgeschehen eine Mitverantwortung

Der Beförderungsvertrag zwischen der Geschädigten und den Busunternehmen begründe eine vertragliche Schutzpflicht des Unternehmens zugunsten der Busfahrgäste, die im vorliegenden Fall dadurch verletzt worden sei, dass der Busfahrer die Bustüren geöffnet habe, ohne zuvor an dem Bus die Warnblinkanlage angestellt zu haben. Hierzu wäre er verpflichtet gewesen, weil er in der Verkehrssituation damit habe rechnen müssen, dass während des Aussteigens der Fahrgäste andere Fahrzeuge den rechts neben dem Bus gelegenen Seitenstreifen für sich nutzen könnten.

Der Seitenstreifen habe nämlich von anderen Fahrzeugen zum Halten und Parken benutzt werden dürfen, von Radfahrern, landwirtschaftlichen und ähnlich langsamen Fahrzeugen sogar auch als Fahrbahn. Ausgehend hiervon habe der Busfahrer durch das Einschalten der Warnblinkanlage des Busses vor dem Öffnen der Bustüren die anderen Verkehrsteilnehmer vor der mit dem Aussteigevorgang verbunden Gefahrensituation warnen müssen.

Ein Mitverschulden der Geschädigten, die sich beim Ausstieg aus dem Bus nicht so verhalten habe, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei, vermindere zwar die Haftung auf Seiten des Busfahrers und des Busunternehmens, schließe diese aber nicht aus, weil auf Seiten des Verkehrsunternehmens noch die Betriebsgefahr des Busses zu berücksichtigen sei. Im Verhältnis zu der Geschädigten sei eine Haftungsverteilung von 50 % zu 50 % angemessen. Eine gleichlautende Quote habe sich auch im Vorprozess im Verhältnis der Geschädigten zum vorbeifahrenden Pkw ergeben.

Der damit auf Seiten des Busunternehmens sowie des Busfahrers und auf Seiten der PKW-Fahrerin und -Halterin jeweils verbleibende hälftige Haftungsanteil sei im Verhältnis zwischen diesen Unfallbeteiligten und damit im Verhältnis des klagenden und beklagten Versicherers erneut mit einer jedenfalls 50 %-Mithaftung des Busunternehmens und seines Fahrers zu teilen. Das entspreche den jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es - im Verhältnis der am Unfallgeschehen beteiligten Schädiger - aufgrund des abgeschlossenen Beförderungsvertrages zuvörderst dem Busunternehmen und dessen Fahrer oblegen habe, die Geschädigte beim Aussteigen aus dem Bus vor Gefahren zu schützen.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 11 U 108/17

OLG Hamm, PM
Rechtsindex - Recht & Urteile

Ähnliche Urteile:

Reisende haben Rechte - egal ob sie in Flugzeug, Bahn oder Bus sitzen. So haben auch Busreisende seit Anfang 2013 bestimmte Ansprüche, etwa wenn der Fernbus liegenbleibt oder gar nicht erst losfährt. Urteil lesen

Die Personenbeförderung von einem Parkhaus zum Flughafen Berlin-Tegel erfordert eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz. Es handele sich bei dem Transfer nicht bloß um nicht um einen "kostenlosen Service", sondern um eine entgeltliche Beförderung. Urteil lesen

Wer schon einmal mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Großbritannien oder Norwegen gereist ist, der weiß, dass dort die Fahrt mit dem Fernbus eine echte Alternative zur Reise mit der Bahn ist. Das soll in Zukunft auch hierzulande so werden. Urteil lesen

Busse müssen an ihren Außenseiten gut sichtbare und deutlich lesbare Angaben zu dem Namen und dem Sitz des die Beförderung durchführenden Unternehmens aufweisen. Eine nur wenige Zentimeter große Beschriftung unter den Außenspiegeln ist nicht ausreichend. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de