Die Übergabe und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) sind Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen. Wer einen Gebrauchtwagen kauft, ohne sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen zu lassern, handelt grob fahrlässig im Sinne von § 932 Abs.2 BGB.

Der Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall kaufte ein Gebrauchtwagenhändler ein Fahrzeug. Es stellte sich dann nachträglich heraus, dass der Verkäufer überhaupt nicht Eigentümer des Gebrauchtfahrzeugs war. Der Gebrauchtwagenhändler berief sich auf einen gutgläubigen Eigentumserwerb an dem Gebrauchtfahrzeug.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Az. 8 U 114/13)

Der Gebrauchtwagenhändler hat das Fahrzeug nicht gutgläubig erworben (§ 932 BGB). Ihm ist infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, dass das Fahrzeug nicht dem Veräußerer gehörte, so das Kammergericht Berlin (8 U 114/13).

Gemäß § 932 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn das Fahrzeug dem Veräußerer nicht gehört, es sei denn, dass er im Zeitpunkt der Übergabe nicht in gutem Glauben gewesen ist. Nach § 932 Abs. 2 BGB schließen nur positive Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußerers die Redlichkeit des Erwerbers aus. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen1.

Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen

Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht. Die Übergabe und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) sind aber die Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen2. Wer einen Gebrauchtwagen kauft (ob vom Händler oder von einer Privatperson), ohne sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen zu lassern, handelt schon allein aus diesem Grund grob fahrlässig im Sinne von § 932 Abs.2 BGB3.

Händlereigenschaft begründet eine gesteigerte Sorgfaltspflicht

Die Händlereigenschaft begründet eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die eine gewissenhafte Prüfung des vorgelegten KfZ-Briefes erfordert4. Darüber hinaus ist der Beklagte als Händler zumindest verpflichtet, die Übereinstimmung der in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) angegebenen Fahrgestellnummer mit der Fahrgestellnummer des Fahrzeuges zu vergleichen5.

Für den Gebrauchtwagenhandel hat der BGH wegen der dort nicht selten vorkommenden Unregelmäßigkeiten in ständiger Rechtsprechung bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, einen strengen Maßstab angelegt (BGH, NJW-RR 1987, 1456, 1457).

Gericht:
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 22.05.2014 - 8 U 114/13

Rechtsindex - Recht & Urteile

1 (BGH, 09.02.2005 - VIII ZR 82/03)
2 (BGH, 13.09.2006 - VIII ZR 184/05; BGH, 13.05.1996 - II ZR 222/95; BGH, 05.02.1975 - VIII ZR 151/73)
3 (juris PK-BGB, 6. Auflage (2012), § 932, Rdnr. 30)
4 (OLG Braunschweig, Urteil vom 1. September 2011 - 8 U 170/10)
5 (BGH, Urteil vom 23. Mai 1966 - VIII ZR 60/64)
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