Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht Oldenburg zu entscheiden, ob dem Fahrer des Polizeiwagens eine Mitverantwortung angelastet werden kann, nachdem ein vorausfahrender Kleinbus während eines Abbiegevorgangs abrupt abgebremst hat und das Polizeifahrzeug aufgefahren ist.

Der Sachverhalt

Während einer Einsatzfahrt der Polizei kam  es zu einem Verkehrsunfall. Ein Polizeifahrzeug war mit Blaulicht und Martinshorn auf dem Weg zu einem Tankstellenüberfall. Vor dem Polizeifahrzeug fuhr ein Kleinbus, der nach links abbiegen wollte. Der Fahrer des Polizeiwagens beabsichtigte, das Fahrzeug rechts zu überholen.

Der Kleinbus bremste jedoch abrupt ab und der Polizeiwagen fuhr auf ihn auf. An beiden Fahrzeugen entstand erheblicher Sachschaden. Das Land Niedersachsen als Eigentümerin des Polizeifahrzeugs verklagte die Fahrerin und den Haftpflichtversicherer des Kleinbusses vor dem Landgericht Aurich auf Schadensersatz in Höhe von rd. 13.000,-€. Es vertrat die Auffassung, dass die Fahrerin des Kleinbusses allein für den Verkehrsunfall verantwortlich sei.

Die Entscheidung der Vorinstanz

Das Landgericht gab dem Land Niedersachsen Recht und führte in seinem Urteil (Az. 2 O 790/13) aus, dass die Fahrerin des Kleinbusses verpflichtet gewesen sei, dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn zu verschaffen.

Sie habe das Martinshorn von weitem hören können und entweder an den rechten Rand fahren oder stehen bleiben müssen. Zumindest habe sie den von ihr eingeleiteten Abbiegevorgang nicht abrupt abbrechen dürfen. Den Fahrer des Polizeiwagens treffe keine Mitverantwortung, da das Verhalten der Beklagten für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei.

Dagegen legten die Fahrerin und der Haftpflichtversicherer des Kleinbusses Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg ein und machten geltend, dass das Land Niedersachsen jedenfalls eine Mithaftung von 25 % treffe.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az. 1 U 46/15)

Der 1. Zivilsenat pflichtete dem bei und vertrat die Auffassung, dass der Fahrer des Polizeiwagens nicht genügend Abstand zu dem Kleinbus gehalten habe. Er habe damit rechnen müssen, dass die Fahrerin des Kleinbusses unsicher auf den Einsatzwagen reagieren würde.

Mithaftung der Polizei: 25%

Die der Polizei zustehenden Sonderrechte dürften nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Unabhängig davon rechtfertige auch die Betriebsgefahr des mit Sonderrechten fahrenden Polizeifahrzeugs für sich genommen bereits eine Mithaftung von 25 %. Das Land Niedersachsen und der Haftpflichtversicherer des Kleinbusses nahmen diese Einschätzung des Senats zum Anlass, sich über eine Abrechnung auf entsprechender Grundlage zu einigen, und erklärten den Rechtsstreit für erledigt.

Gericht:
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 05.03.2015 - 1 U 46/15

OLG Oldenburg, PM
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