Ein Autofahrer übersah an einem Dezemberabend eine Radfahrerin, die ohne Beleuchtung unterwegs war. Es kam zum Zusammenstoß. Die Radfahrerin stürzte, blieb jedoch unverletzt. Als sie sich aufsetzen wollte, setze der Autofahrer zurück und überfuhr das rechte Bein der Radfahrerin. Zur Haftungsfrage.

Der Sachverhalt

Die Radfahrerin befuhr Anfang Dezember um ca. 17.15 Uhr die Industriestraße, wobei sie die Fahrradbeleuchtung nicht eingeschaltet hatte. Der Autofahrer kam aus einer rechter Hand der Klägerin befindlichen Einfahrt nach rechts auf die Industriestraße herausgefahren.

Dabei übersah er die Radfahrerin. Es kam zu einem Zusammenstoß. Die Radfahrerin stürzte zu Boden. Als sie sich gerade wieder aufgesetzt hatte, fuhr der Autofahrer mit seinem Fahrzeug ein Stück zurück und überfuhr dabei das rechte Bein der Radfahrerin, wodurch sie einen Schien- und Wadenbeinbruch erlitt.

Vorgerichtlich zahlte der Autofahrer ein Schmerzensgeld von 3.000,- €. Die klagende Radfahrerin begehrte ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 4.000,- €. Sie behauptete, dass sie neben dem Schien- und Wadenbeinbruch daran leide, dass in ihrem rechten Unterschenkel sich unfallbedingt eine Titanplatte befinde, ihre rechte Hand permanent zittere und der große Zeh des rechten Fußes taub sei. Der beklagte Autofahrer sah darin, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt ohne Beleuchtung geradelt sei, ein erhebliches Mitverschulden, welches den Schmerzensgeldanspruch entsprechend herabsetze.

Vorinstanz: Die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Klägerin in Höhe von 50% wegen fehlender Beleuchtung ein Mitverschulden anzulasten sei. Die Klägerin ging in Berufung.

Das Urteil des Landgerichts Heidelberg (Az. 1 S 47/14)

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Nach dem Urteil des Landgerichts Heidelberg (Az. 1 S 47/14) habe die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgelds von 4.000 € aus §§ 7 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, 115 Abs. 1 VVG.

Autofahrer hat den relevanten Schadenseintritt allein verschuldet

1. Zunächst habe der Beklagte den für die Schmerzensgeldberechnung relevanten Schadenseintritt allein verschuldet. Ihm falle ein grober Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zur Last. Denn er habe nach der Kollision mit der Klägerin sein Fahrzeug zurückgesetzt und dabei den rechten Unterschenkel der Klägerin überfahren, was in hohem Maße unachtsam und der Verkehrssituation nicht angemessen gewesen sei. Der Beklagte, der die vorherige Kollision offensichtlich bemerkt habe, hätte sich in der konkreten Unfallsituation Klarheit über die Unfallkonstellation, den Unfallgegner und dessen Lage verschaffen müssen, bevor er zu weiteren Fahrbewegungen ansetzte. Er habe sich vergewissern müssen, dass er durch weitere Fahrbewegungen keine auf dem Boden liegenden Personen oder Gegenstände gefährde, mit denen er nach der Kollision habe rechnen müssen. Indem er dies unterlassen habe, habe er gegen das allgemeine Gebot, andere im Straßenverkehr nicht zu schädigen oder zu gefährden, verstoßen.

Beleuchtung nicht kausal für die Schädigung der Klägerin

2. Der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten. Sie habe zwar zum Unfallzeitpunkt die Beleuchtung ihres Fahrrads nicht eingeschaltet gehabt, obwohl es zu diesem Zeitpunkt dunkel gewesen sei. Dies stelle einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 StVO dar. Dieser Verstoß sei jedoch nicht kausal für die Schädigung der Klägerin, sondern nur für die zeitlich davorliegende Kollision an sich geworden, weil der Beklagte die Klägerin wegen der fehlenden Beleuchtung nicht ausreichend gut habe sehen können. Durch die Kollision und den dadurch ausgelösten Sturz sei die Klägerin jedoch nicht verletzt worden. Der Schien- und Wadenbeinbruch sei erst nachfolgend dadurch entstanden, dass der Beklagte mit seinem Fahrzeug nach der Kollision wieder ein Stück zurück gefahren sei. Dadurch habe er einen neuen Kausalverlauf in Gang gesetzt, auf den sich der Verstoß der Klägerin gegen die Beleuchtungsvorschriften nicht mehr ausgewirkt habe.

Bemessung des Schmerzensgeldes

3. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes von insgesamt 7.000,- € sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin einem Schien- und Wadenbeinbruch erlitt, der mittels Plattenosteosynthese operativ versorgt werden musste, sie sich 11 Tage in stationärer Behandlung befand und den Beklagten ein grobes Verschulden treffe, indem er das Bein der Klägerin nach der Kollision unter vollständiger Außerachtlassung des Rücksichtnahmegebots überfuhr.

Gericht:
Landgericht Heidelberg, Urteil vom 24.06.2015 - 1 S 47/14

LG Heidelberg
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Schadensersatz nach Verkehrsunfall - Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil klar, dass die Sachverständigenkosten ebenso wie die übrigen Schadenspositionen des Geschädigten nur im Umfang der Haftungsquote zu ersetzen sind. Urteil lesen

Überholt ein PKW Fahrer im Bereich eines Bahnübergangs trotz Überholverbots einen verbotswidrig (durchgezogene Linie) nach links abbiegenden PKW und es kommt zum Zusammenstoß, haften beide Fahrer zu je 50 %. Urteil lesen

Bedient ein Autofahrer während der Fahrt auf der Autobahn sein Navigationsgerät und verursacht dadurch einen Auffahrunfall, haftet die Versicherung nicht für den Schaden. Der Unfallverursacher selbst muss die Kosten des Unfalls tragen. Urteil lesen

Haftungsquote - Wenn ein parkendes Auto in ein absolutes Halteverbot hineinragt und es streift ein Dritter dieses Auto und beschädigt den Teil, der in dem Halteverbot abgestellt wurde, hat der Falschparker (in diesem Fall) 30% seines Schadens selbst zutragen. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de