Die Messung war mit dem Geschwindigkeitsmessgerät der Firma Vitronic, Modell PoliScan Speed mit der Messgerätesoftware Version 1.5.5 durchgeführt und mit dem TUFF-Viewer Version 3.45.1 ausgewertet worden. Welche Neuerung hat der Tuff-Viewer? Unterdrückt diese Stufenprofile?

Aus den Entscheidungsgründen des OLG Frankfurt

Die Messsoftware ist mit dem Messgerät (Poliscan Speed) verknüpft und legt die Messdaten, die während des gesamten Messvorgangs anfallen, in einer sogenannten Falldatei ab.

Die Auswertung dieser Falldateien, d. h. die Prüfung der Geeignetheit der Messdaten für einen Verkehrsverstoß und der Visualisierbarkeit für den auswertenden Messbeamten erfolgt durch die Auswertesoftware (Bildanzeigeprogramm).

Die Auswertesoftware (Tuff-Viewer) erhebt keine Messdaten, sondern bearbeitet die vom Messgerät mit seiner Messsoftware erhobenen Daten und stellt sie in einem Bild mit einem Auswerterahmen dar. Die Darstellung des Auswerterahmens erfolgt dabei stets auf Basis dieser Positionskoordinaten. Die Koordinaten des für die eindeutige Messwertzuordnung benötigten Auswerterahmens stammen ausnahmslos vom Messgerät selbst. Der Tuff-Viewer greift lediglich auf diese Daten zurück, um den Auswerterahmen in das betreffende Bild einzublenden.

Unterschiede bei der Größe des Auswerterahmens

Zwischen den TuffViewer-Versionen 3.38.0 und 3.45.1 können sich dabei rechtlich unbeachtliche Unterschiede in der Art der grafischen Darstellung des Auswerterahmens ergeben.

Mess-Software 1.5.5 enthält nur Kerndaten

Die Messsoftware 1.5.5. ist vor den Empfehlungen des Arbeitskreises IV Verkehrsgerichtstages 2013 entwickelt worden, so dass nur die für die Messung notwendigen Kerndaten nicht aber die für eine nachträgliche Rekonstruktion notwendigen Hilfsdaten gespeichert wurden. Die Sicherstellung der Messrichtigkeit und Messzuordnung wurde und wird über die Zulassung der PTB gewährleistet, bei der Messsoftware 1.5.5. durch umfangreiche Feldmessungen (vgl. Richtigstellungserklärung der PTB vom 22.08.2013 zum Urteil AG-Aachen vom 10.12.2012 - 444 OWi 606 Js 31/12-93/12).

Mess-Software 3.2.4 speichert Hilfsdaten

Erst die Mess-Software 3.2.4 speichert die sogenannten Hilfsdaten. Mit der Auswertesoftware TUFF-Viewer 3.38.0 (bis 23.07.2013 zugelassen) und TUFF-Viewer 3.45.1 (ab 24.07.2013 zugelassen) kann auf diese Hilfsdaten zugegriffen werden.

Standardisiertes Messverfahren

Auf Grund der Zulassungen der Messsoftware in Kombination mit der Auswertesoftware durch die PTB liegt ein standardisiertes Messverfahren bis 23.07.2013 u.a. in der Kombination

1.5.5 + 3.29.2,
1.5.5 + 3.38.0, und
3.2.4 + 3.38.0 vor

und ab 24.07.2013 in der Kombination

1.5.5 + 3.29.2,
1.5.5 + 3.45.1 und
3.2.4 + 3.45.1

Wird eine Messung nach dem 23.07.2013 mit der Auswertesoftware 3.38.0 ausgewertet, ist dies außerhalb der Zulassung der PTB. Auf die Richtigkeit der Messung hat das keine Auswirkungen. Die Messsoftware, die die Messdaten erhebt, ist von dem Stichtagswechsel der Auswertesoftware nicht betroffen. Auch auf nach dem Stichtag mit TUFF-Viewer 3.38.0 ausgewertete Falldaten kann ein Bußgeldbescheid und auch eine Verurteilung gestützt werden, solange das Gericht von der Richtigkeit der Messung überzeugt ist. Dabei muss es lediglich die Auswerterichtlinien beachten.

Auswerterichtlinien:

1. bei einer Frontmessung innerhalb der Schablone (Auswerterahmen) weder ein Vorderrad noch das Kennzeichen zumindest teilweise enthalten sind

2. bei einer Heckmessung innerhalb der Schablone (Auswerterahmen) weder ein Hinterrad noch das Kennzeichen zumindest teilweise enthalten sind;

3. wenn Teile anderer Verkehrsteilnehmer in gleicher Fahrtrichtung auf derselben oder einer benachbarten Fahrspur innerhalb der Schablone (Auswerterahmen) zu erkennen sind;

4. oder die Unterseite der Schablone sich nicht unterhalb der Räder befindet.

Liegt eines der Ausschlussgründe vor, liegt in der Regel auch eine verwertbare Messung vor, auf die auch eine Verurteilung gestützt werden kann. Es bedarf dann allerdings näherer Darlegungen. Zur Vereinfachung des Verfahrens und aus Kostengründen kann deswegen zu Gunsten der Betroffenen auf die Verfolgung von Verstößen mit Messungen außerhalb der Auswerteregeln verzichtet werden.

Neuerung in der Auswertesoftware TUFF-Viewer 3.45.1

Die Neuerung in der Auswertesoftware TUFF-Viewer 3.45.1 liegt in der automatisierten Vorauswertung, die die auswertenden Messbeamten weiter entlasten soll. Sie geht von einem anderen Ansatz aus und ist deswegen nicht ohne weiteres mit der Version TUFF-Viewer 3.38.0. vergleichbar.

Hierbei geht es nicht um die "Unterdrückung" der Folgen des sog. "Stufeneffekts", da dieses Phänomen der Messüberwachung bei den hier gegenständlichen Messsoftware-Varianten nicht auftritt, wie die PTB in mehreren Stellungnahmen in der Vergangenheit deutlich dargelegt hat. Es geht auch nicht um die "Unterdrückung falscher Messwerte". Da die Messsoftware nicht betroffen ist, beruhen die Falldateien genau wie vor dem Stichtag auf der gleichen Messtechnik. Es geht ausschließlich um den formalisierten Umgang atypische Verkehrsabläufe während der Messung, in der Regel um die (Vor)Bewertung von sog. „Verdeckungsszenarien“.

Bei der Auswertesoftware TUFF-Viewer 3.45.1 erfolgt eine automatisierte Vorausfilterung (Unterdrückung) der im Messbereich erzeugten Falldateien durch die Auswertesoftware. Die unterdrückten Falldateien werden dem Messbeamten nicht mehr angezeigt, wären aber grundsätzlich zumindest von der PTB rekonstruierbar. Die Unterdrückung beruht auf dem einfachen Prinzip des Rückgriffs auf die letzte globale Erfassung des im Messbereich befindlichen Fahrzeugs. Befindet sich diese innerhalb von 24 m vor dem Messgerät wird die Messung ausgewertet. Ist die letzte globale Erfassung außerhalb von 24 m vor dem Messgerät wird die Messung dem Messbeamten nicht mehr angezeigt (unterdrückt). In diesem Zusammenhang von „Messfehlern“ zu sprechen ist sachlich falsch. Der Grund für diese Festlegung liegt allein darin, dass innerhalb von 24 m vor dem Messgerät, bei den üblicherweise gefahrenen Geschwindigkeiten, ein atypischer Verkehrsverlauf, der im Rahmen der Auswertung nach den oben genannten Auswerterichtlinien Interpretationsspielräume zulassen und damit zu unnötigen Diskussionen und damit zu erhöhten Belastungen der Gerichte und der Verwaltungsbehörden führen könnten, nach den Erfahrungen der PTB nahezu ausgeschlossen.

Mehr bußgeldrelevante Verfahren durch Verwendung der alten Auswertesoftware?

Wird entgegen den Festlegungen der PTB ein mit dem alten Auswerteprogramm Tuff-Viewer 3.38.0 ausgewertete Falldatei erneut unter Verwendung des Tuff-Viewer 3.45.1 ausgewertet, so führt dies grundsätzlich zum:

  • identischen Ergebnis (Regelfall) oder zur
  • Begünstigung von Betroffenen

Dass bei Auswertungen der gleichen Falldaten durch die alte Auswertesoftware mehr bußgeldrelevante Verfahren auftreten als bei entsprechender Auswertung durch die neue Software bedarf keiner näheren Erläuterung. Daraus den Schluss zu ziehen, dass die unter der alten Auswertesoftware zu Bußgeldverfahren geführten Falldateien zu Unrecht erhoben worden sind, entbehrt jeglicher Grundlage.

Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB)

Im Rahmen einer Gerichtsanfrage liegt der PTB die Ausarbeitung eines Sachverständigen (SV) zu Messgeräten der PoliScanspeed-Gerätefamilie der Firma Vitronic vor, die sich auch in einem nahezu inhaltsgleichen DAR-Artikel wiederfindet. Die Ausarbeitung hat die PTB zu der nachfolgenden Klarstellung veranlasst, die nun öffentlich verfügbar ist. Diese Klarstellung findet sich auch in diesem Urteil wieder. Hier gehts zur Stellungnahme der PTB

Gericht:
Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss 04.12.2014 - 2 Ss-OWi 1041/14

OLG Frankfurt
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