Ein Fahrlehrer, der als Beifahrer neben einem fortgeschrittenen Fahrschüler sitzt, führt nicht im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO ein Fahrzeug. Er darf somit als Beifahrer mit einem Handy telefonieren. Dies hat das OLG Düsseldorf (Az. IV-1 RBs 80/13) entschieden.

Der Sachverhalt

Ein Fahrlehrer befand sich mit einem entsprechend ausgerüsteten PKW auf einer Ausbildungsfahrt. Der PKW wurde von einer fortgeschrittenen Fahrschülerin geführt, während der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz saß. Der Fahrlehrer telefonierte in dieser Situation mit einem Mobiltelefon. Er musste zu dieser Zeit nicht aktiv in das Fahrgeschehen eingreifen.

Das Amtsgericht Neuss verurteilte den Fahrlehrer wegen "verbotswidriger Nutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer" zu einer Geldbuße von 40 EUR. Dagegen wehrt sich der Fahrlehrer.

Die Entscheidung

Da der Fahrlehrer kein Fahrzeug "führte", als er das Mobiltelefon benutzte, liegt keine  Ordnungswidrigkeit nach § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO vor, entschied das LG Düsseldorf. Das amtsgerichtliche Urteil wird aufgehoben und der Betroffene freigesprochen.

Zwar gilt gemäß § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG bei Ausbildungsfahrten der Fahrlehrer "im Sinne dieses Gesetzes als Führer des Kraftfahrzeugs", wenn er den am Steuer sitzenden und noch nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindlichen Fahrschüler begleitet. Diese gesetzliche Fiktion vermag jedoch eine Ahndung des Betroffenen nicht zu rechtfertigen. Soweit in Rechtsprechung und Lehre die Ansicht vertreten wird, dass die Norm eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung des die Fahrt nur begleitenden Fahrlehrers gemäß § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO begründe, folgt der Senat dem nicht.

Dabei kann dahinstehen, ob schon der Wortlaut des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG ("im Sinne dieses Gesetzes") den Geltungsbereich der Norm ausschließlich auf das Straßenverkehrsgesetz beschränkt und damit die - immerhin auf seiner Grundlage erlassene - Straßenverkehrsordnung nicht erfasst. Denn jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Norm sowie aus systematischen Gründen reicht die in § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG vorgesehene Fiktionswirkung nicht in den Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung hinein.

Der Fahrlehrer war in der Tatsituation auch in Anwendung allgemeiner Grundsätze nicht als Fahrzeugführer im Sinne von § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO anzusehen.

Ein "nur mündlich anleitender Fahrlehrer" ist kein Fahrzeugführer

§ 23 Abs. 1a Satz 1 StVO ist - ebenso wie die §§ 315c, 316 StGB - ein eigenhändiges Delikt. Es kann nur durch denjenigen verwirklicht werden, der das Fahrzeug in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt. Ein Führen allein "durch Worte" reicht hierfür nicht aus, so dass nach herrschender Meinung der eine Ausbildungsfahrt nur mündlich anleitende Fahrlehrer kein Fahrzeugführer ist, solange er nicht manuell in die Steuerung des Wagens eingreift (OLG Dresden, aaO S. 1013 f.; König, in: Hentschel/König/Dauer, aaO, § 23 StVO Rdnr. 30a und § 316 StGB Rdnr. 3, 5; LK-König, aaO, § 315c Rdnr. 42; Fischer, StGB, 60. Auflage [2013], § 315c Rdnr. 3a; Burmann, in Burmann/Heß, aaO, § 316 StGB Rdnr. 2).

Senat beurteilt Situation mit fortgeschrittenen Fahrschülern

Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn sich der Fahrschüler infolge mangelhafter eigener Fahrkenntnisse "bedingungslos" oder zumindest "im Wesentlichen" nach den technischen Anweisungen des Fahrlehrers richtet (vgl. die Fallkonstellationen bei BGH VRS 52, 408, 409; OLG Hamm VRS 37, 281, 282), kann dahinstehen, denn eine derartige Situation war hier nicht gegeben. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen lassen keinerlei Anhaltspunkt dafür erkennen, dass der Betroffene während der Ausbildungsfahrt mit seiner - fortgeschrittenen - Fahrschülerin deren Verkehrsverhalten durch mündliche Anweisungen maßgeblich bestimmt hat.

Beobachtungs- und Kontrollpflichten des Fahrlehrers

Die in Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretene Ansicht, der Fahrlehrer sei bei der Begleitung einer Ausbildungsfahrt schon aufgrund seiner Beobachtungs- und Kontrollpflichten in Verbindung mit der bloßen Möglichkeit einer manuellen Beeinflussung als Fahrzeugführer anzusehen (so OLG Bamberg, aaO, mit Anm. Scheidler; LK-Geppert, aaO, § 69 Rdnr. 29), vermag der Senat nicht zu teilen.

Handynutzung - Fahrzeugführer soll beide Hände frei haben

Sie überschreitet jedenfalls im Hinblick auf § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO die Grenzen einer zulässigen Normauslegung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber mit dem Verbot der Handynutzung nicht jegliche Ablenkung durch Telefonate während der Fahrt sanktionieren, sondern lediglich sicherstellen wollte, dass der Fahrzeugführer während einer derartigen Ablenkung zumindest "beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat" (Wiedergabe der Begründung zur ÄndVO bei König, in Hentschel/König/Dauer, aaO, § 23 StVO Rdnr. 4).

Handyverbot nur wenn man tatsächlich das Fahrzeug lenkt

Diese Motivation verdeutlicht (zusätzlich zum Wortlaut der Vorschrift), dass § 23 Abs. 1a StVO die Führung eines Handytelefonats nur in Verbindung mit der tatsächlichen Betätigung der Bedieneinrichtungen des Fahrzeugs (insbesondere der Lenkung) unter Verbot stellt. Es mag zwar sein, dass auch von einem telefonierenden Beifahrer in Ausbildungssituationen potentielle Gefahren für die Verkehrssicherheit ausgehen können, die mit Blick auf die Verantwortung und Aufgabe des Fahrlehrers de lege ferenda auch sanktionierungswürdig sein mögen. Von der Schutzrichtung des § 23 Abs. 1a StVO werden derartige Situationen indes nicht erfasst.

Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2013 - IV-1 RBs 80/13

OLG Düsseldorf
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