Der beklagte Sozialhilfeträger lehnte die Übernahme ungedeckter Heimkosten für die Unterbringung des Klägers in der von ihm gewünschten Pflegeeinrichtung mit der Begründung ab, diese seien um 14% bis rund 18% höher. Das Sozialgericht Karlsruhe beschäftigt sich mit dem Begriff "unangemessene Mehrkosten".

Der Sachverhalt

Der 1949 geborene Kläger leidet an einer schweren Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen und depressiven Symptomen bei Morbus Down sowie einer Prostatahyperplasie. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt und ist vollstationär in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen untergebracht. Der Kläger wünscht den Übertritt in eine andere Pflegeeinrichtung.

Der beklagte Sozialhilfeträger lehnte die Übernahme ungedeckter Heimkosten für die Unterbringung des Klägers in der von ihm gewünschten Pflegeeinrichtung mit der Begründung ab, diese seien um 14% bis rund 18%  (488,40 EUR bzw. 488,40 EUR) höher als bei einer Unterbringung in ebenfalls geeigneten und auch zur Verfügung stehenden anderen Pflegeheimen.

Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (Az. S 1 SO 750/14)

Aufgrund seines Gesundheitszustands sei die vollstationäre Unterbringung des Klägers in einer Pflegeeinrichtung erforderlich. Der Kläger habe auch unstreitig dem Grunde nach Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach sozialhilferechtlichen Bestimmungen. Sein Wunsch auf Eintritt in die von ihm benannte Pflegeeinrichtung sei angemessen. Die dadurch im Vergleich zu den durchschnittlichen Kosten bei einer Unterbringung in einem der vom Beklagten alternativ angeführten Pflegeheime entstehenden Mehraufwendungen für den Sozialhilfeträger seien nicht unverhältnismäßig.

Zum Begriff "unangemessene Mehrkosten"

Der Begriff "unangemessene Mehrkosten" sei nicht eng auszulegen. Es reiche, wenn die Mehrkosten noch verhältnismäßig seien. Dabei sei von vornherein eine in bestimmtem Rahmen liegende Überschreitung der durchschnittlichen Kosten in jedem Fall noch verhältnismäßig. Es gebe auch keine feste mathematische Grenze, bis zu der Mehrkosten angemessen seien.

Vielmehr sei eine Abwägung der Mehrkosten im konkreten Fall mit dem Gewicht des vom Leistungsberechtigten geltend gemachten Wunsches und seiner individuellen Situation vorzunehmen. Dabei sei der Wunsch des Leistungsberechtigten um so bedeutsamer, je mehr er seiner objektiven Bedarfssituation entspreche (vgl. BVerwG vom 18.08.2003 - 5 B 14/03).

Eine Unangemessenheit der Mehrkosten wird in Rechtsprechung und Literatur - soweit aktuell ersichtlich - erst bei Kosten angenommen, die 20 % bis 30 % über denen der Vergleichsgruppe liegen, und verneint, wenn diese die Grenze von 20 % nicht erreichen (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 02.09.2010 - L 7 SO 1357/10 ER-B -, Rn. 12, jeweils m.w.N.; SG Freiburg, a.a.O.; SG Mainz vom 30.06.2009 - S 5 SO 32/07 - m.w.N.; SG Hildesheim vom 19.05.2010 - S 34 SO 212/07 - sowie SG Duisburg vom 16.04.2012 - S 2 SO 55/11 - (jeweils juris)).

Gericht:
Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 28.11.2014 - S 1 SO 750/14

SG Karlsruhe
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