Nach Urteil des Landgerichts Freiburg ist das Ausspucken oder Werfen von Essensresten meist kein Grund einen Heimvertrag zu kündigen. Auch Betteln in der Umgebung des Heimes ist kein Kündigungsgrund. Wer aber beständig gegen das Rauchverbot verstößt, dem darf die Unterbringung gekündigt werden.

Der Sachverhalt

Das Pflegeheim behauptet, die beiden Senioren hätten in der Vergangenheit wiederholt und beharrlich die vertraglich übernommenen Pflichten verletzt. Eine weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei nicht mehr zumutbar. Sie hätten wiederholt und beharrlich gegen das Rauchverbot innerhalb des Heimgebäudes verstoßen und in ihrem Zimmer geraucht. Mehrfach wurden sie aufgefordert, nicht zu rauchen. Ihr Verhalten hätten sie nicht geändert. Wiederholt hätten sie Essensreste im Zimmer ausgespuckt oder aus dem Fenster geworfen sowie außerhalb des Heims gebettelt.

Die Entscheidung

Aus dem Urteil gehen folgende drei Leitsätze hervor:

  1. Der beharrliche Verstoß gegen das in einem Heimvertrag festgelegte Rauchverbot kann ein Kündigungsgrund iSd § 12 Abs.1 Satz 3 Nr.3 WBVG auch bei eingeschränkter Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Heimbewohners sein.
  2. Vorgänge wie das Ausspucken oder Werfen von Essensresten sind in einem Pflegeheim nicht so ungewöhnlich, dass einzelne Vorfälle ohne Hinzutreten weiterer Umstände einen Kündigungsgrund nach § 12 Abs.1 Satz 3 Nr.3 WBVG darstellen könnten.
  3. Betteln in der Umgebung eines Heimes ist kein Kündigungsgrund nach § 12 Abs.1 Satz 3 Nr.3 WBVG.

Ausspucken von Essen

Nach den Erfahrungen der Kammer sind Vorgänge wie das Ausspucken von Essen in einem Pflegeheim der vom Kläger betriebenen Art nicht so ungewöhnlich, dass einzelne Vorfälle ohne Hinzutreten weiterer Umstände einen Kündigungsgrund nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 WBVG darstellen könnten. Dass diese Vorfälle ein außergewöhnliches Ausmaß oder eine besondere Bedeutung gehabt hätten, war dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen.

Betteln in der Umgebung des Heimes

Betteln in der Umgebung eines Heimes etwa ist kein Kündigungsgrund. Betteln im öffentlichen Raum ist straßen- und polizeirechtlich zulässig. [...] Denn vorliegend findet sich ein solches Verbot im Vertragstext nicht. Die Annahme einer ungeschriebenen vertraglichen Nebenpflicht, insbesondere nach § 241 Abs. 2 BGB, verbietet sich angesichts der Tatsache, dass ein sich räumlich über den Bereich des Pflegeheims erstreckendes Bettelverbot aus Sicht der Kammer höchst ungewöhnlich wäre und zudem einen Grundrechtseingriff darstellen würde, der beispielsweise auf polizeirechtlicher Grundlage unzulässig wäre.[...]

Rauchen: Erhebliche Gefahr für Mitbewohner und Pflegepersonal

Anders jedoch beim Rauchen, das schon für sich genommen für alle übrigen Heimbewohner und das Personal eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit und beim möglichen Ausbruch eines Brandes sogar von Leib und Leben darstellt, berichtet die Deutsche Anwaltshotline. "Nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz liegt ein wichtiger Grund für eine Kündigung des Heimvertrages durch den Heimbetreiber immer vor, wenn der Heimbewohner seine vertraglichen Pflichten so gröblich verletzt, dass dem Betreiber des Heims die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann -  unabhängig von der konkreten Schuldfähigkeit des Vertragspartners. Der Pflichtverstoß wurde nach Überzeugung der Kammer schuldhaft begangen und wiegt auch hinreichend schwer, um als gröblich im Sinne des Gesetzes gewertet zu werden.

Gericht:
Landgericht Freiburg, Urteil vom 05.07.2012 - 3 S 48/12

Quellen: LG Freiburg, Deutsche Anwaltshotline
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