Bloß weil sich ein Reiseleiter mehr um einen Schwerstbehinderten kümmern musste und dadurch weniger präsent war, hat ein Reisender keine Mängelansprüche, so das Urteil des Amtsgerichts München. Ein Reiseunternehmen schuldet keine nicht behinderten Mitreisenden.

Wie das Amtsgericht München mit Urteil entschied, ist der Umstand, dass manche Menschen eine intensivere Betreuung durch die Reiseleitung erfordern, kein Reisemangel.

Der Sachverhalt

Ein Ehepaar buchte für drei Wochen eine Studienreise nach Südafrika zum Preis von 9990 Euro. Die Reise stand unter keinem ganz günstigen Stern. Schon der Hinflug verzögerte sich um 4,75 Std, wodurch der für diesen Tag geplante Ausflug erst am nächsten Tag stattfand. Das Bad im Hotel in Kapstadt, in dem das Paar drei Nächte verbrachte, wies Schimmelbefall auf. Auf der Fahrt nach Pretoria kam es zu einer Buspanne, wodurch sich die Stadtbesichtigung dort auf 30 Minuten verkürzte. Auf die Beschwerden der Reisenden hin bezahlte das Reiseunternehmen 285 Euro und übersandte einen Reisegutschein in Höhe von 200 Euro.

Reiseleiter war zu wenig präsent

Das genügte dem Ehepaar nicht. Sie verlangten weitere 714 Euro. Sie bemängelten, dass die ansonsten gute Reiseleitung mit einer schwerstbehinderten, beinahe blinden Mitreisenden beschäftigt und dadurch weniger präsent gewesen sei. Sie waren der Ansicht, dass das Reiseunternehmen die Verantwortung habe, nur solche Gäste auf einer Reise mitzunehmen, die die Strapazen entweder selbstständig oder mit Hilfe einer dauernden persönlichen Betreuungsperson meistern können, ohne den zeitlichen Ablauf einer solchen Studienreise an jedem Programmpunkt durch zeitaufwendige Betreuungsleistungen durch die Reiseleitung zu behindern und zu verzögern. Als das Reiseunternehmen nicht bezahlte, erhob die Ehefrau Klage vor dem Amtsgericht München.

Die Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen. Soweit Mängelansprüche bestanden hätten (Schimmel, Flugverspätung), habe die Beklagte durch ihre Zahlung bereits ausreichend Ausgleich gewährt. Soweit die Klägerin meine, ihr stünden Ansprüche zu, weil sich die Reiseleiterin um eine behinderte Mitreisende mehr kümmern musste, sei diese Meinung bereits im Ansatz verfehlt. Ein Mangel erfordere die Abweichung der erbrachten Leistung von der geschuldeten Leistung.

Urteil: Reiseunternehmen schuldet keine nicht behinderten Mitreisenden

Das Reiseunternehmen schulde aber keine nicht behinderten Mitreisenden. Die Klägerin möge sich daran erfreuen, dass sie nicht behindert sei und sich nicht darüber beschweren, dass es auch behinderte Menschen gäbe, welche ebenfalls an Reisen teilnehmen wollen und hierbei eine intensivere Betreuung benötigen. Dies sei im Übrigen das allgemeine Risiko bei einer Gruppenreise und stelle keinen Mangel dar.

Auch die Buspanne sei kein Mangel, sondern eine im Rahmen einer Rundreise hinzunehmende Unannehmlichkeit.

Themenindex:
Reiseleiter, Reiseleitung, Behinderung, Reisemangel

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 01.12.2011 - 223 C 17592/11

AG München, PM Nr. 57/12
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