Das Berufungsgericht war entsetzt über ein Urteil des Amtsgerichts, welches im Grunde kein Urteil, sondern schlicht eine Frechheit darstellte. Nach dem Motto "Copy & Paste" stellte sich der Richter ein Urteil aus Schriftsätzen der Parteien und aus dem Sitzungsprotokoll zusammen. Eine eigene Würdigung durch den Richter fehlte komplett.

Um was ging es?

Der Angeklagte wollte auf einem Parkplatz mit einer Gruppe Jugendlicher feiern, die das jedoch ablehnte. Der Angeklagte wurde mit jedem "nein" aggressiver und entschloss sich, es den Jugendlichen "heim zu zahlen" und ihre Feier zu zerstören. Im Vollrausch und unter Drogeneinfluss fuhr der Angeklagte mit einem BMW auf die Gruppe zu.

Plötzlich beschleunigte er sein Fahrzeug und rammte einen Fiat, hinter dem sich zwei Jugendliche befanden. Bei einem Jugendlichen wurde der rechte Fuß unter dem Reifen des Fiat eingeklemmt. Selbst als die Polizei schon vor Ort war, kehrte er nach kurzer Abwesenheit hupend zurück. Der Angeklagte wehrte sich vehement gegen die Blutentnahme, indem er die Beamten bespuckte und nach ihnen schlug. Der Richter des Amtsgerichts Köln verurteilte ihn wegen fahrlässigen Vollrauschs zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40,00 Euro. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein.

Strafmaß war zu gering

Der Fall wurde vor dem Landgericht Köln neu verhandelt. Da fiel den Kollegen auf, dass der Richter des Amtsgerichts gar keine Urteilsbegründung geschrieben, sondern lediglich die Anklageschrift und das vollständige Sitzungsprotokoll kopiert hatte.

Aus dem Urteil des Landgerichts Köln (Az. 152 Ns 59/15)

Das Urteil erschöpfte sich in einem ordnungsgemäßen Tenor. Anstatt einer auch nur ansatzweise an der Vorschrift des § 267 StPO ausgerichteten Begründung ließ der Erstrichter lediglich die Anklageschrift und das vollständige Sitzungsprotokoll einschließlich sämtlicher Streichungen ablichten und die Kopien nach dem Tenor in das Urteil einfügen. Die bloße Wiedergabe von Zeugenaussagen ersetzt keine Beweiswürdigung. Erst recht entbindet das rein mechanische Kopieren des Sitzungsprotokolls - noch dazu mit sämtlichen Streichungen - den Richter nicht davon, die von ihm erhobenen Beweise in ihrer Gesamtheit zu würdigen.

Das Urteil des Amtsgerichts ist eine Frechheit

Die Kammer unterstreicht vor diesem Hintergrund ihre in der Hauptverhandlung bekannt gegebene Wertung, bei dem von einem Richter unterschriebenen Dokument handele es sich nicht um ein auch nur ansatzweise nach Maßgabe des § 267 StPO begründetes Urteil, sondern schlicht um eine Frechheit. Das Vorgehen des Erstrichters, völlig sinnfrei zu großen Teilen überhaupt nicht in die Hauptverhandlung eingeführte Aktenteile in sein Urteil hineinkopieren zu lassen, wird nicht nur dem Angeklagten und dem Geschädigten sowie den Besonderheiten der abzuurteilenden Taten, sondern auch und gerade dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit in keiner Weise mehr gerecht.

Die Fassung eines solchen "Scheinurteils" bleibt auch vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung der Amtsgerichte unerklärlich. Sie ist schon mit Blick auf §§ 258a, 339 StGB höchst bedenklich.

Strafmaß: 1 Jahr und 1 Monat Freiheitsstrafe auf Bewährung

Unter angemessener Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr hat die Kammer auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat als tat- und schuldangemessen, erforderlich, aber auch ausreichend erkannt, um die Schuld des Angeklagten zu sühnen und mit dem Ziel zukünftiger Straffreiheit auf ihn einzuwirken. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden.

Hinweis

Laut Information des "Kölner Stadt-Anzeiger" beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall, weil möglich sei, dass sich der Amtsrichter wegen Rechtsbeugung verantworten muss. Der betroffene Richter sei allerdings schon in den Ruhestand gegangen.

Gericht:
Landgericht Köln, Urteil vom 28.07.2016 - 152 Ns 59/15

LG Köln
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