Viele Menschen haben Angst vor Operationen. Aus diesem Grund kommt es häufig vor, dass in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Operation noch ein Testament geschrieben wird. Ob ein solches Testament aber auch Gültigkeit besitzt, musste jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem aktuellen Fall entscheiden.

Vor Biopsie Testament gemacht

Eine ältere wohlhabende Frau litt schon seit längerer Zeit an Leukämie. Als schließlich auch noch ein Tumor bei ihr entdeckt wurde, unterzog sie sich einer Biopsie. Im Vorfeld dieser Gewebeprobenentnahme schrieb sie handschriftlich auf einen kleinen Zettel: "4.3.2013 Dies ist mein Testament. Sollte heute bei dem Eingriff etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen, vermache ich mein ganzes Vermögen u. Haus Herrn A. Ich setze ihn auch als Betreuer ein. Ich möchte keine lebensverlängernden Maßnahmen. Dieses ist mein letzter Wille Unterschrift 4.3.2013". Herr A. ist ihr Lebensgefährte. Wie nicht anders zu erwarten, verlief die Biopsie ohne Komplikationen, dennoch verstarb die Frau am 23.07.2013.

Angehörige gegen Lebensgefährten als Alleinerben

Nach dem Tod der Frau beantragte ihr Lebensgefährte A. einen Erbschein als Alleinerbe. Er gab an, dass ihm seine Lebensgefährtin am Tag nach dem Eingriff das Testament gezeigt und es anschließend in eine Leinenbrieftasche gesteckt hat, die sie in einer Schublade zusammen mit allen anderen Papieren aufbewahrte. Dort hat er das Testament auch nach ihrem Tod gefunden.

Die Schwester der Toten sowie deren Nichten und Neffen widersprachen jedoch dieser Darstellung. Der Lebensgefährte hätte sich bei ihnen nach einem Ort erkundigt, an dem er ein Testament finden könne. Außerdem hat er ursprünglich erklärt, er habe das Testament zerknüllt in einer Jogginghose der Frau gefunden. Darüber hinaus habe die Erblasserin auch noch nach der Biopsie mit ihrer Schwester telefoniert und über die Notwendigkeit bzw. Zweckmäßigkeit der Erstellung eines Testaments gesprochen. Im Übrigen sei der Zusatz "u. Haus" nicht von der Erblasserin geschrieben.

Nachlassgericht erteilt Lebensgefährten Erbschein

Das Nachlassgericht stellte fest, dass die erforderlichen Tatsachen zur Begründung des Erbscheinantrages für den Lebensgefährten vorliegen:
  • Das Testament wurde unstreitig von der Erblasserin verfasst.
  • Ob der Zusatz von der Frau stamme oder nachträglich eingefügt wurde, ist unerheblich.
  • Das Testament stand auch nicht unter einer Bedingung. Die Formulierungen: "Dies ist mein Testament." und "Dieses ist mein letzter Wille." deuten darauf hin, dass die Frau ihre letztwillige Verfügung treffen wollte.
  • Die Formulierung "Sollte heute etwas passieren …" stellt keine echte Bedingung dar und ist wie die Formulierung "Für den Fall meines Todes zu verstehen."

Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts legten die Angehörigen der Erblasserin schließlich Beschwerde ein. Sie erklärten, dass das Testament einerseits eindeutig nur für den Fall gelten sollte, dass der Frau bei der Biopsie etwas zustoße und sie nicht mehr aufwache, andererseits entspreche die Handschrift auf dem Testament nicht ihrer Handschrift, wie sie mithilfe eines handschriftlichen Kuchenrezepts beweisen wollten.

OLG stellt sich auf Seite des Lebensgefährten

Die Richter der OLG stellten in ihrem Beschluss schließlich fest, dass der Lebensgefährte der Erblasserin zu Recht den Erbschein ausgehändigt bekommen hat, da er aufgrund des Testamentes alleiniger Erbe geworden ist. Die Formulierung der Frau in ihrem Testament ist dahingehend auslegungsbedürftig, ob es sich um eine Bedingung handelt oder um ein Motiv bzw. einen Beweggrund zur Testamentserstellung. Im vorliegenden Fall war es aber so, dass eine Biopsie unter örtlicher Betäubung stattfinden sollte und eine solche nur in einem sehr unwahrscheinlichen Fall tödlich verläuft. Daher hat die Frau ihren Lebensgefährten bewusst als Erbe eingesetzt und gerade keine Bedingung geschaffen.

Die Zweifel der Angehörigen an der Rechtmäßigkeit bzw. der Eigenhändigkeit des Testaments sind somit nicht gerechtfertigt. Aus diesem Grund ist der Lebensgefährte der Erblasserin zu Recht Alleinerbe geworden.

Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2015 - I-3-Wx191/14

Gabriele Weintz
Wirtschaftsjuristin LL.B.
Redakteurin – Juristische Redaktion
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Ein Beitrag von anwalt.de

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