Das Bezirksamt Neukölln von Berlin hat sich anlässlich der Anfrage einer Jurastudentin, die sich um eine Referendarstelle beworben hat, mit der Frage des Umgangs hinsichtlich des Tragens eines Kopftuches während der Dienstausübung beschäftigt.

Ergebnis der Sitzung des Bezirksamts Neukölln

Am 03.06.2015 war der Rechtsreferendarin eine rechtliche Prüfung ihrer Anfrage zugesagt worden. Hierbei hat eine Auslegung zu Art. 29 VvB und des in Berlin geltenden Neutralitätsgesetzes unter Berücksichtigung des aktuellen Bundesverfassungsgerichtsurteils - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 – in dieser Frage zu erfolgen. Zu keinem Zeitpunkt wurde eine Absage für die Referendarstelle erteilt.

Diskriminierung vs. Neutralität

Im Sinne des verfassungsrechtlichen Schutzgutes der Religions- und Weltanschauungsfreiheit dürfen die Beschäftigten des Landes Berlin wegen ihres Glaubens oder ihres weltanschaulichen Bekenntnisses nicht diskriminiert werden. Andererseits ist der Staat durch die für ihn Auftretenden zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet.

Deshalb müssen sich Beschäftigte des Landes Berlin in den Bereichen, in denen die Bürger/innen in besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen sind, in ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis zurückhalten. Wesentlich für die Entscheidung über das weitere Verfahren ist, dass das Verbot religiös geprägter Kleidungsstücke (Hier: Kopftuch) im Bereich der Rechtspflege nur für Beamte, Angestellte und Auszubildende gilt, die hoheitlich und sichtbar das Land Berlin nach außen vertreten.

Das Kammergericht Berlin als zuständige Dienst- bzw. Ausbildungsbehörde hat deshalb Referendarinnen, die ihr Kopftuch während der Referendarzeit grundsätzlich tragen möchten, aus Gründen des Respekts gegenüber möglichen Verfahrensbeteiligten zur Wahrung der staatlichen Neutralität von der Ausübung hoheitlicher Befugnisse ausgeschlossen. Dies gilt, soweit sie Bürger/innen gegenübertreten und diese sich in ihren religiösen Gefühlen dadurch verletzt sehen könnten. Hierbei geht es nicht nur um das staatliche Neutralitätsgebot, sondern auch um die staatliche Pflicht, die konkurrierenden Grundrechtspositionen anderer, so die aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG resultierende negative Glaubensfreiheit, zu schützen.

Muslimin darf bei Referendariat Kopftuch tragen

Das Bezirksamt Neukölln von Berlin hat in seiner Sitzung beschlossen, der Vorgabe des Kammergerichts als zuweisende Dienst- und Ausbildungsbehörde für Rechtsreferendare und Rechtsreferendarinnen im Umgang mit dem Tragen religiöser Symbole zu folgen. Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der danach vorgesehenen Einzelfallprüfung, die hier in sorgfältigem Maße erfolgte, kann Frau Ulusoy daher im Ergebnis eine Ausbildungsstation im Rechtsamt Neukölln antreten, die im Falle des Tragens eines Kopftuches hoheitliche Aufgaben mit Außenwirkung ausschließt.

Unter diesen Voraussetzungen steht ihrem Ausbildungseinsatz im Bezirksamt Neukölln nichts entgegen. Damit ist die Chance für die Rechtsreferendarin gegeben, alle Stationen ihrer Berufsausbildung zu belegen.

Es muss Rechtsklarheit geschaffen werden

Inwieweit nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil (1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) die Umsetzung des Neutralitätsgesetzes im Land Berlin gegebenenfalls verändert auszulegen bzw. neu zu regeln ist, muss auf Landesebene entschieden werden. Hier ist der Berliner Senat in der Pflicht, eine grundsätzliche Entscheidung für alle Senats- und Bezirksverwaltungen im Land Berlin zu treffen und Rechtsklarheit zu schaffen.

Bezirksamt Neukölln von Berlin
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