Nach Urteil des AG Gießen, kann die Tätigkeit eines "Wunderheilers" - etwa Heilung durch Pendeln, Handauflegen oder per Telefon - straffrei sein, wenn der Heiler keine wissenschaftlichen Belege vortäuscht und seine Kunden nicht davon abhält, auch Ärzte aufzusuchen.

Der Sachverhalt

Wie aus dem Urteil des AG Gießen (Az. 507 Cs 402 Js 6823/11) hervorgeht, warb der Mann in Zeitungsanzeigen damit, mittels seiner "geistigen Kräfte" Menschen von Beschwerden wie Krebs, Demenz, Alzheimer, Körpervergiftung, Hepatitis, HIV und anderem heilen zu können. Der Mann besaß keine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz.

Im Zeitraum von März 2010 bis Mai 2011 "behandelte" er in insgesamt 58 Fällen kranke Menschen. Mittels eines Pendels erstellte er eine Analyse des Gesundheitszustandes der einzelnen Organe. Die Ergebnisse trug er in ein selbst entworfenes Formular ein. Nach dem Pendeln legte der Angeklagte vielfach noch die Hände auf. In weiteren Fällen wurde er auch durch "Fernheilung" tätig, das heißt telefonisch oder sonst in Abwesenheit der Betroffenen.

Für seine "Behandlung" verlangte er zwischen 60 und 1.000 Euro. Der Mann riet den Betroffenen in keinem Fall von der Konsultation von Schulmedizinern ab, sondern forderte in etlichen Fällen sogar ausdrücklich dazu auf. Einige der behandelten Personen wurden ganz oder teilweise geheilt. Auf den größeren Teil traf dies jedoch nicht zu. Die Staatsanwaltschaft hatte in diesem Sachverhalt einen Verstoß gegen § 5 in Verbindung mit § 1 Heilpraktikergesetz (HeilPraktG) in 58 Fällen jeweils in Tateinheit mit Betrug gesehen.

Das Urteil des Amtsgericht Gießen (507 Cs 402 Js 6823/11)

Wie die ARGE Medizinrecht des DAV informiert, sprach das Amtsgericht Gießen den angeblich durch „geistige Kräfte“ heilenden Mann frei, obwohl er ohne Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde tätig war. Die Richter sahen weder einen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz noch Betrug. Auf Befragen des Gerichts haben alle in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen erklärt, sich nicht betrogen gefühlt zu haben.

Der Betroffene übe gar keine Heilkunde aus. Bei einer Heilkunde könne die Tätigkeit neben Heilung auch "nennenswerte gesundheitliche Schädigungen verursachen". Daher müsse dafür eine Erlaubnis vorliegen. Das Gericht stellte fest, dass sämtliche von dem "Heiler" durchgeführten Tätigkeiten keine gesundheitlichen Schäden verursachen könnten. Zudem liege auch keine mittelbare Gesundheitsgefährdung vor. Entscheidend war für das Gericht auch, dass er seine Patienten nicht vom Besuch eines Schulmediziners abhielt, sondern diese teilweise dazu auch aufforderte.

Gericht sieht keinen Betrug

Für einen Betrug fehle es an einer Täuschung, da der Mann nie angegeben habe, Arzt oder geprüfter und zugelassener Heilpraktiker zu sein. Dies sei den "Patienten" auch bewusst gewesen, wie alle Zeugen bestätigten.

Aus dem Urteil: [...] Darüber hinaus ist in der Tätigkeit des Angeklagten auch kein Betrug gem. § 263 StGB zu sehen. Bereits der objektive Tatbestand des § 263 StGB ist vorliegend nicht verwirklicht. Hierfür fehlt es bereits an der erforderlichen Täuschungshandlung über Tatsachen. [...]

Konstellationen, in denen "Wunderheiler" Ausführungen mit Tatsachen ausschmücken

Aus dem Urteil: [...] Anders gelagert sind demgegenüber Konstellationen, in denen ein "Wunderheiler" seine Ausführungen über das Heilungsprozedere mit Tatsachen ausschmückt, die zumindest den Anschein der Wissenschaftlichkeit haben. So hatte der BGH im Jahre 2010 über einen Betrug durch den Vertrieb von unwirksamen Krebsmitteln zu entscheiden, NJW 2010/88. In jenem Fall stellten die Angeklagten ihren Patienten eine Verbesserung der Lebensqualität und Verlängerung der Überlebensdauer dadurch in Aussicht, dass sie eine wissenschaftlich hinreichend erwiesene Wirksamkeit eines Medikaments vortäuschten, obwohl ihnen bekannt war, dass wissenschaftliche Nachweise für die behaupteten positiven Wirkungen von diesem Medikament bei Krebserkrankungen nicht existierten. [...]

Themenindex:
Wunderheiler, Esoterik, Pendeln, Handauflegen, Fernheilung

Rechtsgrundlagen:
§ 1 HeilprG, § 5 HeilprG, § 263 StGB

Gericht:
Amtsgericht Gießen, Urteil vom 12.06.2014 - 507 Cs 402 Js 6823/11

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