Der BGH hat durch Urteil (Az. III ZR 352/13) entschieden, dass die Gemeinde bei gesunden Straßenbäumen auch dann keine besonderen Schutzmaßnahmen ergreifen muss, wenn bei diesen - wie z. B. bei der Pappel - ein erhöhtes Risiko besteht, dass Äste abbrechen und Schäden verursacht werden können.

Der Sachverhalt

Der Kläger wohnt in Suhl in einem Mietshaus. Vor dem Wohnblock befinden sich auf beiden Seiten der Straße öffentliche Parkplätze, die auch von den Anwohnern genutzt werden. An die Parkplätze grenzt ein der beklagten Stadt gehörender Grünstreifen, auf dem im Jahre 2011 einige etwa 50-60 Jahre alte Pappeln standen.

Ast bricht ab und beschädigt Fahrzeug

Der Kläger stellte in den Abendstunden des 12. Juni 2011 seinen Pkw auf einem der Parkplätze in der Nähe der Pappeln ab. Am 13. Juni 2011 stellte er morgens Schäden an seinem Fahrzeug fest; von einer der Pappeln war ein grün belaubter Ast auf das Auto gefallen. Der Kläger hat die beklagte Stadt auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Klage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von einem Drittel dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat die beklagte Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt

Anknüpfungspunkt sei insoweit allerdings nicht eine Verletzung der Pflicht zur regelmäßigen sorgfältigen Baumkontrolle. Die Beklagte habe bei ihren Kontrollen keine Anzeichen für eine Erkrankung oder Vermorschung der Pappel übersehen; diese sei vielmehr gesund gewesen. Jedoch könnten auch gesunde Bäume eine Gefahr darstellen. Die Pappel gehöre zu den für natürliche Astbrüche anfälligen Baumarten. Sie stelle, da sie dazu neige, auch im gesunden Zustand Äste abzuwerfen, eine verkehrssicherungsrechtlich relevante ständige Gefahrenquelle dar. Insoweit gehe es nicht um die bei jeder Baumart bestehende Gefahr, dass bei ungünstigen Verhältnissen (starke Windbelastung u.ä.) auch ein belaubter und gesunder Ast abbrechen könne. Dies sei ein hinzunehmendes allgemeines Lebensrisiko.

Bei einer Baumart wie der Pappel, bei der artspezifisch ein ungleich höheres Risiko von Abwürfen gesunder Äste bestehe, sei indessen auf beziehungsweise an öffentlichen Parkflächen, also an Verkehrsflächen, auf denen Fahrzeuge auch für längere Zeit abgestellt und sich regelmäßig Menschen zum Ein- und Aussteigen bewegen würden, die Grenze des zu tolerierenden naturgebundenen Lebensrisikos überschritten. An solchen Orten seien Pappeln zu gefährlich; die Vermeidung von Sach- und Personenschäden müsse Vorrang haben. Zudem sei es im Bereich der Unfallstelle bereits in der Vergangenheit - wenn auch ohne Schäden - zu Astabbrüchen gekommen. Den Kläger treffe jedoch ein Mitverschulden. Er müsse ebenso wie die anderen Anwohner Kenntnis von den Astabwürfen in der Vergangenheit gehabt haben. Deshalb habe der Kläger fahrlässig gehandelt, als er sein Fahrzeug über Nacht in der Gefahrenzone abgestellt habe.

Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der beklagten Stadt das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das klagabweisende landgerichtliche Urteil bestätigt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. III ZR 352/13)

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt sich die Straßenverkehrssicherungspflicht grundsätzlich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume. Die Behörden genügen ihrer diesbezüglichen Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie - außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse - eine eingehende Untersuchung der Bäume dann vornehmen, wenn besondere Umstände - wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder ähnliches - sie angezeigt erscheinen lassen. Ihre diesbezüglichen Pflichten hat die Beklagte, die Baumkontrollen durchgeführt hat, nicht verletzt.

Gesunde Bäume mit natürlichen Astbrüchen

Die streitgegenständliche Pappel und der den Schaden verursachende Ast waren vor dem Schadensfall gesund. Allein der Umstand, dass bei manchen Baumarten ein erhöhtes Risiko besteht, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen, führt nicht dazu, dass diese Bäume als im Verkehrsinteresse grundsätzlich zu beseitigende Gefahrenquellen eingestuft werden müssten und der Verkehrssicherungspflichtige weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen hat.

BGH-Urteil: Allgemeines Lebensrisiko

Ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, gehört auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Die Verkehrssicherungspflicht verlangt es nicht, gesunde, nur naturbedingt vergleichsweise bruchgefährdetere Baumarten an Straßen oder Parkplätzen zu beseitigen oder zumindest sämtliche in den öffentlichen Verkehrsraum hineinragenden Baumteile abzuschneiden. Gehören damit aber die Folgen eines natürlichen Astabbruchs grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko, bedarf es auch keiner sonstigen Maßnahmen, wie der Absperrung des Luftraums unter Pappeln oder der Aufstellung von Warnschildern. Dies würde nach Auffassung des Senats die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht überspannen.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.03.2014 - III ZR 352/13

Vorinstanzen:
Landgericht Meiningen - Urteil vom 17.09.2012 - 3 O 1031/11
Thüringer Oberlandesgericht Jena - Urteil vom 30.07.2013 - 4 U 847/12

BGH
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