Mit Urteil stellte das OLG München fest, dass die Unterzeichnung eines Verbraucherdarlehensvertrages auf einem elektronischen Schreibtablett nicht der erforderlichen Schriftform genügt.

Digitale Schreibtabletts - wer kennt sie nicht? Auf diesem kann man Skizzen anfertigen, Notizen schreiben oder einfach nur seine Unterschrift hinterlassen, wie beim Paketzusteller, der um Unterschrift bittet.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall erwarb der Kläger im März 2011 in einem Elektrofachmarkt ein Fernsehgerät, zu dessen Finanzierung ihm auf einem elektronischen Schreibtablett ein Kreditvertragsformular der später beklagten Bank nebst Hinweisen auf sein Widerrufsrecht vorgelegt wurde. Auf diesem Schreibtablett unterzeichnete der Kläger den Kreditvertrag. Im Anschluss daran wurde das Vertragsformular mit der Unterschrift des Klägers ausgedruckt und dieser Ausdruck dem Kläger überlassen. Eine Unterschrift von Verantwortlichen der Bank befindet sich darauf nicht.

Das Fernsehgerät wurde an den Kläger ausgeliefert. Zweieinhalb Wochen später erklärte der Kläger gegenüber der Bank den Widerruf des Kreditvertrags. Diesen Widerruf wollte die Bank nicht gelten lassen, weshalb der Kläger schließlich das Gericht anrief und im Klageweg die Feststellung begehrte, dass der Darlehensvertrag mangels Einhaltung der Schriftform nichtig sei, hilfsweise, dass er diesen Vertrag wirksam widerrufen habe.

Vorinstanz wies die Klage ab

Das Landgericht München I wies die Klage jedoch mit Urteil vom 13.01.2012 ab (Gz.: 22 O 14798/11). Zur Begründung führte es aus, dass der streitgegenständliche Vertrag der Schriftform für Verbraucherdarlehensverträge genüge. Ebenso wie z.B. eine Schiefertafel sei das Schreibtablett grundsätzlich geeignet, die darauf enthaltenen Schriftzeichen dauerhaft festzuhalten. Auf diesem habe der Kläger auch eigenhändig unterschrieben. Der Verbraucher werde ebenso aufgeklärt, wie es bei der Papierform der Fall sei. Der Widerruf sei verspätet erfolgt, da bei dessen Eingang die 14 -tägige Widerrufsfrist bereits abgelaufen gewesen sei.

Die Entscheidung

Das sah das Oberlandesgericht München anders und gab dem Kläger nun weitgehend recht. Das OLG zu dem Ergebnis, dass der konkrete Darlehensvertrag formnichtig ist. Nach erfolgter Auszahlung des Darlehensbetrags wurde diese Formnichtigkeit zwar geheilt. Allerdings, so das OLG, ist der Widerruf des Klägers infolge der ursprünglichen Formnichtigkeit rechtzeitig erfolgt, so dass der Klage insoweit stattzugeben war.

Im einzelnen hat das OLG seine Entscheidung mit folgenden Erwägungen begründet:

Bei einem zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossenen Darlehensvertrag, über den hier zu entscheiden war, ist die Schriftform nach § 126 BGB oder die elektronische Form nach § 126 a BGB einzuhalten. Beide Formvorschriften sind durch das Vorgehen der Beklagten nicht gewahrt.

Elektronisches Dokument nicht körperlich vorhanden

Eine schriftliche Urkunde im Sinne des § 126 BGB erfordert dauerhaft verkörperte Schriftzeichen auf einem Schreibmaterial, gleich welcher Art. Daran fehlt es allgemein bei einem elektronischen Dokument und auch bei der hier vorliegenden handgeschriebenen elektronischen Unterschrift auf einem Unterschriftenpad, wobei das Dokument zwar elektronisch gespeichert wurde, aber zu keinem Zeitpunkt körperlich vorhanden war. Der dem Kläger übergebene Ausdruck ist zwar körperlicher Natur, entspricht aber nicht der Schriftform des § 126 BGB, die eine eigenhändige Namensunterschrift erfordert, welche dem Ausdruck jedoch fehlt.

Digitales Dokument nicht mit qualifizierter elektronischer Signatur versehen

Eine Namensunterschrift der Beklagten ist gar nicht vorhanden und die Unterschrift des Klägers erfolgte nicht eigenhändig auf der Urkunde sondern wurde darauf nur als elektronische Kopie wiedergegeben. Dies reicht ebenso wie die Übermittlung und Wiedergabe einer Namensunterschrift durch Telefax nicht aus. Da der Kläger seine Unterschrift lediglich mit einem elektronischen Stift auf dem Schreibtablett leistete, das elektronische Dokument aber nicht mit einer sogenannten qualifizierten elektronischen Signatur versehen hat, liegen auch die Voraussetzungen des § 126 a BGB nicht vor. Nur eine derart besonders qualifizierte Unterschrift hat der Gesetzgeber mit der als abschließend anzusehenden Regelung in § 126 a BGB als zur Wahrung der Form ausreichend angesehen. Eine Regelungslücke, die man, wie die Beklagte es wollte, in ihrem Sinn hätte auslegen können, besteht nicht.

Heilung

Allerdings, so das OLG, wurde die Formunwirksamkeit des streitgegenständlichen Darlehensvertrags geheilt, weil der Kläger das Darlehen tatsächlich empfangen hat. Daraus konnte die beklagte Bank allerdings keinen Nutzen ziehen, da aufgrund der Formnichtigkeit des Darlehensvertrags die zweiwöchige Widerrufsfrist für den Kläger erst später zu laufen begann, noch nicht abgelaufen war und der Kläger den Widerruf rechtzeitig erklärt hat. Zum einen, so das OLG, läuft die Widerrufsfrist erst ab "Vertragsschluss", was frühestens mit der Heilung durch Auszahlung des Darlehens der Fall ist.

Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt

Zum anderen wird bei Formmängeln die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt, bevor der Darlehensnehmer eine Abschrift der hierdurch bewirkten Vertragsänderungen erhalten hat. Diese Änderungen äußern sich im vorliegenden Fall nach § 494 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 246 BGB unter anderem in geringeren, auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % p.a ermäßigten Sollzinsen, da nach der gesetzlichen Regelung nicht mehr der ursprünglich vereinbarte Zinssatz gilt. Eine entsprechende Abschrift hatte der Kläger aber von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erhalten, so dass sein Widerruf in jedem Fall rechtzeitig war.

Gericht:
Oberlandesgericht München, Urteil vom 04.06.2012 - 19 U 771/12

OLG München, PM 6/12
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