Mit Urteil verneint der BGH die Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB, nach der ein Vermieter im Falle einer Verurteilung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen kann, auf preisgebundenen Wohnraum.

Kurz zusammengefasst

Nach der letzten Betriebskostenabrechnung hatte der Vermieter die monatlichen Vorauszahlungsbeträge für den Mieter um 30,50 Euro erhöht. Der Mieter zweifelte die Richtigkeit der Abrechnung aber an und zahlte auch die erhöhten Vorauszahlungsbeträge nicht. Hierauf kündigte der Vermieter fristlos. Das Amtsgericht und das Landgericht Hamburg wiesen die Räumungsklage als unbegründet ab. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung jetzt auf und bestätigte, Mieter in Sozialwohnungen, die erhöhte Vorauszahlungsbeträge nicht zahlen, müssen mit der fristlosen Kündigung rechnen (Quelle: DMB)

Der Sachverhalt

Eine Wohnungsbaugenossenschaft (Vermieterin und Klägerin) überließ der Mieterin durch Dauernutzungsvertrag eine öffentlich geförderte preisgebundene Wohnung in Hamburg. Aus Anlass der Betriebskostenabrechnung für 2007, bei der der Ansatz einzelner Posten zwischen den Parteien streitig ist, setzte die Vermieterin für die Betriebs- und Heizkosten einen um 30,50 € höheren Vorauszahlungsbetrag für die Zeit ab Januar 2009 fest. Ferner erhöhte sie für die Zeit ab Juli 2009 die Grundnutzungsgebühr um 9,75 €.

Die Mieterin zahlte in den Folgemonaten lediglich den bisherigen Betrag. Die Vermieterin kündigte, gestützt auf den daraus errechneten Zahlungsrückstand, das Mietverhältnis mehrfach fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Die Räumungsklagen der Vermieterin hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass die Klägerin in entsprechender Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB nicht zur Kündigung berechtigt sei. Diese Vorschrift finde auch im preisgebundenen Wohnraum Anwendung.

Die Entscheidung

Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf preisgebundenen Wohnraum nicht gegeben sind.

Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich vielmehr, dass es an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke im Gesetz fehlt. Denn die Vorgängervorschriften des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB in § 3 Abs. 5 WKSchG und § 9 Abs. 2 MHG haben preisgebundenen Wohnraum von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen, da der Gesetzgeber der Ansicht war, dass die durch die zulässige Kostenmiete und die dadurch gezogenen festen Grenzen geprägten Regelungen für Mieterhöhungen im preisgebundenen Wohnraum dem Mieter einen ausreichenden Schutz gewähren.

An dieser Rechtslage hat sich durch die Schaffung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB nichts geändert, denn der Gesetzgeber wollte damit nur die Regelung des § 9 Abs. 2 MHG in das BGB übernehmen. Dies schließt es aus, anzunehmen, der Gesetzgeber habe den Geltungsbereich dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch auf den preisgebundenen Wohnraum ausdehnen wollen.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen zu den Zahlungsrückständen der Beklagten und einem sich daraus ergebenden Kündigungsgrund getroffen werden können.

Rechtsnormen:
§ 569 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
§ 3 Gesetz über den Kündigungsschutz von Mietverhältnissen über Wohnraum-WKSchG
§ 9 Gesetz zur Regelung der Miethöhe (Artikel 3 des Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum) – MHG
§ 10 MHG

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.2012 - VIII ZR 327/11

Vorinstanzen:
Amtsgericht Hamburg-Barmbek - Urteil vom 26. August 2010 – 812 C 186/09
Landgericht Hamburg - Urteil vom 21. Oktober 2011 – 311 S 60/10

Der Deutsche Mieterbund zu diesem Urteil:
"Das Urteil ist problematisch. Im Bereich der Sozialwohnungen drohen neue Streitigkeiten und Rechtsunsicherheiten", kommentiert der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB) Lukas Siebenkotten die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. "Mietern in Sozialwohnungen droht die Kündigung, wenn sie die Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen nicht zahlen. Damit haben sie unter dem Strich weniger Rechte als Mieter in frei finanzierten Wohnungen".

"Das ist problematisch und nur schwer nachvollziehbar. Zumal bei frei finanzierten Wohnungen die Rechtslage offensichtlich anders ist. Hier bestimmt das Gesetz, dass Mieter nur dann fristlos gekündigt werden können, wenn sie rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete verurteilt worden sind. Es macht aus meiner Sicht aber keinen Sinn Mietern in Sozialwohnungen weniger Rechte zu geben als Mietern in frei finanzierten Wohnungen".

Quelle: BGH, DMB
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