Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals für WiFi-Hotspots keine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG darstellt. Auch liege keine aggressive Geschäftspraktik im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG vor.

Der Sachverhalt

Viele Internetanbieter stellen bei einem Internetzugang kostenlose Router mit WLAN zur Verfügung. Oftmals verbleiben dann die Router im Eigentum des Internetanbieters. Im vorliegenden Fall beabsichtigte ein Internetanbieter zur Erstellung flächendeckender WLAN-Hotspots die Konfiguration der Router zu ändern.

Es sollte ein separates WLAN-Signal aktiviert werden, das Dritten einen Zugang zum Internet eröffne. Der Internetanbieter informierte seine Kunden und der Kunde musste aktiv werden und widersprechen, wenn das das nicht wollte. Die Verbraucherschutzzentrale NRW sah darin eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive Geschäftspraktik.

Der Prozessverlauf

Das Landgericht Köln zunächst der Verbraucherzentrale Recht gegeben (Urt. v. 9. Mai 2017, Az. 31 O 227/16). Der Internetanbieter hätte seine Kundschaft vorher ausdrücklich um Zustimmung bitten müssen (Opt-in). Das Oberlandesgericht Köln (Urteil, Az. 6 U 85/17) sah dies anders und entschied in der Berufung zugunsten des Internetanbieters. Das Gericht sah die Widerspruchslösung (Opt-out) als ausreichend. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof (Urteil, Az. I ZR 23/18) hat entschieden, dass die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf dem von einem Telekommunikationsdienstleister seinen Kunden zur Verfügung gestellten WLAN-Router, das von Dritten genutzt werden kann, wettbewerbsrechtlich zulässig ist, wenn den Kunden ein Widerspruchsrecht zusteht, die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht beeinträchtigt und auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits- und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt.

Keine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG

Die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals stellt keine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. Die geschuldete Vertragsleistung - Zugang zum Internet - wird durch das zweite WLAN-Signal nicht beeinträchtigt. Ein ausschließliches Nutzungsrecht der im Eigentum der Beklagten stehenden Router durch die Kunden, das einer Nutzung der Router auch durch die Beklagte entgegenstehen könnte, sehen die Verträge über Internetzugangsleistungen nicht vor. Der ungestörte Gebrauch des Routers durch die Kunden wird weder durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb beeinträchtigt.

Keine aufgedrängte Dienstleistung

In der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine aufgedrängte Dienstleistung. Die Beklagte eröffnet ihren Kunden mit der Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf deren Routern zwar die Möglichkeit, die Leistungen der Beklagten auch über die Wifi-Spots anderer Kunden zu nutzen.

Die Klägerin möchte der Beklagten aber nicht das Angebot dieser zusätzlichen Leistung, sondern allein die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals verbieten lassen. In der Aktivierung dieses Signals liegt für sich genommen keine Dienstleistung der Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers.

Keine Nachteile für die Kunden

Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG darstellt. Die Aktivierung ist ein ausschließlich technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich bringt. Sie erfordert weder einen mit Störungen verbundenen Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung.

Der Internetzugang der Kunden wird durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Für die Kunden besteht auch nicht das Risiko, für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene Rechtsverletzungen zu haften.

Kunden haben Widerspruchsrecht

Gegen eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG spricht schließlich das zeitlich uneingeschränkte Widerspruchsrecht der Kunden. Sie können die Nutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Router durch Dritte über ein von der Beklagten betriebenes zusätzliches WLAN-Signal jederzeit durch einen Widerspruch kurzfristig - spätestens zum übernächsten Werktag - beenden.

Selbst wenn in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung läge, fehlte es an der Unzumutbarkeit der Belästigung. Rechtlich geschützte Interessen der Kunden werden im Zuge der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht verletzt. Gegen die Unzumutbarkeit einer Belästigung spricht ferner das jederzeitige Widerspruchsrecht der Kunden.

Die Freischaltung des zweiten WLAN-Signals ist auch nicht mit der in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten und nur bei Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten zulässigen E-Mail-Werbung vergleichbar, weil sie nicht zu ähnlichen Beeinträchtigungen führt.

Keine aggressive Geschäftspraktik im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG

Eine aggressive Geschäftspraktik im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG liegt schon deshalb nicht vor, weil den Kunden ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht zusteht und ihre Entscheidungsfreiheit daher nicht beeinträchtigt wird.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2019 - I ZR 23/18

BGH, PM 55/2019
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