Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn in aller Regel nicht die Beseitigung von Bäumen wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf sein Grundstück verlangen kann, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.

Der Sachverhalt

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Baden-Württemberg, die mit Wohnhäusern bebaut sind. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen in einem Abstand von mindestens zwei Meter zu der Grenze drei ca. 18 Meter hohe, gesunde Birken.

Wegen der von den Birken ausgehenden Immissionen (Pollenflug, Herausfallen der Samen und Früchte, Herabfallen der leeren Zapfen sowie der Blätter und Birkenreiser) verlangt der Kläger mit dem Hauptantrag deren Entfernung und hilfsweise eine monatliche Zahlung von jeweils 230 € in den Monaten Juni bis November eines jeden Jahres.

Der Prozessverlauf

Das Amtsgericht Maulbronn (Urteil, Az. 2 C 425/14) hat die Klage mit dem Haupt- und dem Hilfsantrag abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht Karlsruhe (Urteil, Az. 19 S 3/16) den Beklagten zur Beseitigung der Birken verurteilt.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (Urteil, Az. V ZR 218/18 ) hat der Revision des Beklagten stattgegeben und das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Maulbronn wiederhergestellt.

Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Beklagte Störer im Sinne dieser Vorschrift ist. Hierfür genügt nicht bereits das Eigentum an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Vielmehr ist die Feststellung erforderlich, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen.

Wenn es um durch Naturereignisse ausgelöste Störungen geht, ist entscheidend, ob sich die Nutzung des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen ausgehen, im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. So hat der Senat die Störereigenschaft beispielsweise verneint bei Umstürzen nicht erkennbar kranker Bäume infolge von Naturgewalten.

In aller Regel ist von einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung auszugehen, wenn – wie hier gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW a. F. - die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.

Eigentümer des Grundstücks - Verantwortlich für natürliche Immissionen?

Kommt es trotz Einhaltung der Abstandsgrenzen zu natürlichen Immissionen auf dem Nachbargrundstück, ist der Eigentümer des Grundstücks hierfür nach der von dem Gesetzgeber vorgenommenen Wertung regelmäßig nicht verantwortlich. Aus Art. 124 EGBGB folgt nichts anderes.

Richtig ist zwar, dass der Landesgesetzgeber nicht dem Nachbarn Rechte nehmen kann, die sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben. Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr stellt sich die (Vor-)Frage, ob ein Grundstückseigentümer für natürliche Immissionen überhaupt verantwortlich ist.

Scheidet dies aus, gibt es den von dem Berufungsgericht beschriebenen Konflikt zwischen den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den landesrechtlichen Vorschriften nicht. Zudem sprechen §§ 907, 910 BGB und die Gesetzesmaterialien zu diesen Vorschriften dafür, dass der Grundstückseigentümer für solche natürlichen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, die von § 910 BGB (Überhang) nicht erfasst werden, regelmäßig nicht verantwortlich sein soll, wenn die Anpflanzungen mit dem Landesnachbarrecht in Einklang stehen.

Ein Beseitigungsanspruch lässt sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten, da die Beeinträchtigungen zwar erheblich, aber nicht derart schwer sind, dass der Kläger sie trotz der in § 16 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW a. F zum Ausdruck gekommenen Wertung nicht mehr hinzunehmen hätte.

Rechtsgrundlagen:
§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe, § 907 BGB Gefahr drohende Anlagen, § 910 BGB Überhang, § 16 NRG-BW in der bis zum 11. Februar 2014 geltenden Fassung.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2019 - V ZR 218/18

BGH, PM 123/19
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