Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat den Eilantrag von Nachbarn gegen die Baugenehmigung für eine Aussegnungshalle in einem allgemeinen Wohngebiet stattgegeben. Die Vollziehung der Baugenehmigung wurde ausgesetzt.

Der Sachverhalt

Die Stadt Filderstadt erteilte dem im Eilverfahren beigeladenen Bauherrn im Juli 2010 die sofort vollziehbare Baugenehmigung zum Um- und Ausbau einer Schreinerwerkstatt in eine Aussegnungshalle. Genehmigt wurde auch ein Kühlraum, der dazu dient, Leichen eine unbestimmte Zeit vor oder nach einer Aussegnungsfeier zu lagern (Leichenhalle). Nachbarn erhoben hiergegen Widerspruch und leiteten beim Verwaltungsgericht ein Eilverfahren gegen die Stadt Filderstadt ein.

Die Entscheidung

Die 2. Kammer gab dem Eilantrag statt, da die Baugenehmigung voraussichtlich gegen Rechte der Nachbarn verstößt. Das Baugrundstücks liege in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet. Die genehmigte Aussegnungshalle mit gewerblicher Leichenaufbewahrung stehe in einem Spannungsverhältnis zu dem vorhandenen Gebietscharakter des allgemeines Wohngebiets, auf dessen Wahrung der Nachbar einen Anspruch habe. Eine gebietsunverträgliche Störung ergebe sich zwar nicht bereits aus der Konfrontation mit dem Tod. Dem Anstandsgefühl der Allgemeinheit entspreche es jedoch, dass in der Situation einer Totengedenkfeier die Umgebung zur Ruhe komme. Deshalb hätten alle konkreten Alltagstätigkeiten von Kindern und Erwachsenen, die mit Lärmentwicklung verbunden seien, zu unterbleiben. Damit wäre aber eine normale Wohnnutzung zumindest zeitweise nicht mehr möglich. Zudem befänden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Bauvorhabens eine Schule, ein Kinderspielplatz und ein Kindergarten. Dies lasse das genehmigte Bauvorhaben im konkreten Umfeld als Fremdkörper erscheinen.

Nachbarschützendes Gebot der Rücksichtnahme

Das genehmigte Bauvorhaben verstoße voraussichtlich auch gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme. Die der Baugenehmigung beigefügten Auflage, dass die Nutzung der Aussegnungshalle auf maximal 35 Personen beschränkt sei, sei praktisch nicht einzuhalten. Wenn Traueranzeigen in Zeitungen geschaltet oder auf andere Art und Weise bekannt gemacht würden, sei es nach der Lebenserfahrung nicht zu erwarten, dass die Zahl der tatsächlich an der Trauerveranstaltung teilnehmenden Personen sinnvoll vorhergesagt werden könne. Es sei auch unwahrscheinlich, dass im Hinblick auf allgemein anerkannte Pietätsvorstellungen staatliche Ordnungskräfte den Zutritt zu solchen Veranstaltungen überwachten und gegebenenfalls Trauernde von dem Besuch einer Veranstaltung fernhalten würden. Hier seien Nutzungskonflikte vorprogrammiert, vor allen Dingen auch im Hinblick auf den anfallenden Straßenverkehr.

Gegen diesen Beschluss (Az.: 2 K 3558/10) ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt werden kann.

Quelle: Pressemitteilung des VG Stuttgart
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