Ein Beitrag von Dr. Stoll & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Lebensversicherungen werden von vielen Menschen nicht nur als Risikoabsicherung, sondern auch als Kapitalanlage eingesetzt. "Garantiezinsen" verheißen insbesondere Lebensversicherungen verlässliche Renditen. Dass ein Versicherungsvertrag aber deutliche Unterschiede zu vielen anderen Kapitalanlagen aufweist, wird so manchem Versicherten dann bewusst, wenn nach einer Kündigung nicht der eingezahlte Betrags mitsamt der entsprechenden "Garantiezinsen" ausgezahlt wird, sondern aufgrund bestimmter Vertragsklauseln mit einem berechneten Rückkaufswert begnügen. Bei enttäuschten Erwartungen suchen Betroffene oftmals nach "Lösungsvorlagen", wie beispielsweise Gerichtsurteilen.Doch gerade bei der Thematik Lebensversicherungen und Rückkaufswert wurden in den vergangenen Monaten höchstrichterliche Entscheidungen getroffen, die für Versicherte auf den ersten Blick verwirrend sind. Der BGH hatte in diesem Jahr wiederholt über den Widerspruch gegen einen bereits gekündigten Lebensversicherungsvertrag zu entscheiden. Denn Versicherte, die in der Vergangenheit einen Lebens- und Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen hatten, wurden wegen des Rückkaufswerts bei einer späteren Kündigung vom ausgezahlten Betrag enttäuscht. Dies war für so manchen Renten- oder Lebensversicherten der Anlass, nach Möglichkeiten zu suchen, wie mehr Geld von der Versicherung gefordert werden kann.
Widerspruch "beseitigt" Versicherungsvertrag und somit die Grundlage des Rückkaufwerts
Eine Möglichkeit, dieses Ziel durchzusetzen ist der Widerspruch gegen ursprünglichen Vertragsschluss. Widerspricht ein Versicherter wirksam, dann gilt der Versicherungsvertrag als nicht abgeschlossen. Dann entfällt die Grundlage für den vertraglich vereinbarten Rückkaufswert. Die von Versicherten erklärten Widersprüche und die damit einhergehenden Geldforderungen führten zu Rechtsstreiten mit den Versicherungsunternehmen. Da bei zwischen 1994 und 2007 abgeschlossenen Renten- und Lebensversicherungsverträgen, die damaligen Gesetze zu grundlegende Rechtsfrage führten, beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in den vergangenen Wochen wiederholt mit dem Widerspruch bei Lebens- und Rentenversicherungen.
Denn in § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung bis 2007) war geregelt, dass ein Renten- oder Lebensversicherungsvertrag nur binnen eines Jahres nach dem Bezahlen der ersten Prämie widerrufen werden kann. Renten- und Lebensversicherte hatten jedoch noch deutlich später ihre gekündigten Versicherungsverträge widerrufen, da sie sich auf den Standpunkt stellten, dass diese Ausschlussregelung und das damals vorgeschriebene Policenmodell (Vertrag wird abgeschlossen, wenn der Versicherte nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt der Vertragsunterlagen widerspricht) gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen.
Ein grundlegendes Urteil zu den Grenzen des Widerspruchsrechts fällte der BGH im Juli 2014. Es ging um den Fall eines Klägers, der 1998 einen Versicherungsvertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung abschloss und dabei ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt. Der Kläger kündigte den Vertrag im Jahr 2004 und erklärt 2011 den Widerspruch. Der BGH entschied, dass in diesem Fall dem einstigen Vertragsschluss nicht mehr wirksam widersprochen werden könne, da die einjährige Höchstfrist längt abgelaufen sei. Auch stelle das Policenmodell keinen Verstoß gegen europarechtlichen Vorgaben dar, sodass die Widerspruchsfrist auch deshalb nicht ausgedehnt werden könne (Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13). Dementsprechend konnte der Kläger nicht mehr als den bereits ausgezahlten Rückkaufswert fordern.
Auch nach dem Urteil vom 16.07.2014 ist ein erfolgreicher Widerspruch noch möglich - es kommt aber auf die genauen Umstände des Einzelfalls an
Für Versicherte stellt sich nach diesem Urteil die Frage, ob es überhaupt noch Möglichkeiten gibt, sich zu wehren. Dass es noch Ansatzpunkte gibt, zeigt ein Urteil des Bundesgerichtshof, das im Mai 2014 erging. Auch in diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof sich mit dem Widerspruch gegen einen zwischen 1998 und 2007 abgeschlossenen und später gekündigten Versicherungsvertrag auseinanderzusetzen. Das Ergebnis für den Kläger war aber ein gänzlich anderes: Der Widerspruch war wirksam.
Im Unterschied zu dem im Juli 2014 entschiedenen Fall, wurde der Kläger beim Abschluss des Rentenversicherungsvertrags nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen. Aufgrund dieses Details beurteilten der Bundesgerichtshof und auch der Gerichtshof der Europäischen Union die Rechtslage anders: Bei einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sei die Ausschlussregelung des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung) nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Die Folge ist, dass auch noch nach Jahren ein Widerspruch gegen den ursprünglichen Vertragsschluss möglich ist (Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11).
Die beiden Urteil demonstrieren, dass es trotz des Urteils vom 16.07.2014 für Renten- und Lebensversicherte nach wie vor Chancen gibt, gegen das Ergebnis einer Kündigung vorzugehen. Doch wird auch deutlich, dass die genauen Umstände eines jeden Einzelfalls entscheidend sind. Daher muss der Einzelfall rechtlich überprüft werden - eine generelle Lösung für alle Fälle gibt es nicht. Wenn Versicherte wissen möchten, welche konkreten rechtlichen Möglichkeiten in ihrem Fall offen stehen, sollten sie sich angesichts der komplexen Rechtslage zuvor Rechtsrat einholen.
Mehr Informationen rund um das Thema Widerruf bzw. Widerspruch befinden sich auf der Homepage www.widerrufsrecht-anwalt.de.Autoreninformation:
Dr. Stoll & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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