In der Regressabteilung einer Krankenkasse macht es Sinn, genügend ausgebildetes Personal zu beschäftigen. Dies musste eine Krankenkasse deutlich spüren, da wegen Verjährung ein Rückgriffsanspruch über 200.000 Euro vom Gericht zurückgewiesen wurde.

Der Sachverhalt

Im Jahr 2002 stürzte ein 3 Jahre altes Kind auf dem Außengelände eines Krankenhauses in einen mehr als 5m tiefen Treppenschacht und erlitt schwerste Kopfverletzungen. Das Kind ist bei der klagenden gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse versichert, die bisher Leistungen in Höhe von mehr als 200.000 Euro erbrachte. Im Fragebogen der Krankenkasse gaben die Eltern an, dass das Kind über ein niedriges Geländer in eine Tiefgarage gestürzt sei, die schlecht abgesichert gewesen sei. Sie hätten sich an einen Rechtsanwalt gewandt.

Zugleich gaben die Eltern in dem Fragebogen aber auch an, dass der Unfall "selbst verschuldet" sei. Die Mitarbeiterin in der Regressabteilung der Kranken- und Pflegekasse sah daraufhin keine Veranlassung, Rückgriffsansprüche gegen den Betreiber des Krankenhauses als Verantwortlichen für die Sicherung des Klinikgeländes geltend zu machen. Erst als im Jahr 2007 das Kind eigene Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Betreiber der Klinik durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes zugesprochen bekam, reichte die Kranken- und Pflegekasse Ende 2009 Klage bei Gericht ein und verlangte Ersatz ihrer bisherigen Aufwendungen.

Angesichts der dreijährigen Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen trug sie unter anderem vor, dass sie erst nach dem Urteil im Jahr 2007 die nötigen Kenntnisse zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gehabt hätte. Ihre Mitarbeiter treffe auch kein Verschulden, dass weitere Ermittlungen zum Unfallgeschehen unterblieben seien. Die Mitarbeiterinnen hätten im Jahr 2007 mehr als 53.000 Unfallfragebögen auszuwerten gehabt, so dass arbeitstäglich von den einzelnen Mitarbeiterinnen seinerzeit 213 Fragebögen zu prüfen gewesen seien. Zudem habe es sich bei der seinerzeit zuständigen Mitarbeiterin in der Regressabteilung um eine angelernte Kraft gehandelt und nicht um eine Sozialversicherungsfachangestellte.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht sah die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche als verspätet an. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist, so dass die Ansprüche bis zum Ende des Jahres 2005 hätten gerichtlich geltend gemacht werden müssen.

"Sozialversicherungsträger können den Verjährungsbeginn nicht dadurch hinausschieben, dass sie Ersatzansprüche nur von unzureichend ausgebildetem und organisationsbedingt dauerhaft stark überlastetem Personal lediglich überblicksmäßig prüfen und nicht als regressrelevant einstufen lassen. Vielmehr obliegt es den Sozialversicherungsträgern eine Organisationsstruktur zu schaffen, die es ermöglicht, mögliche Regressansprüche zu erkennen und diesen nachzugehen. Die Verpflichtung der Sozialversicherungsträger sparsam mit den Versichertengeldern umzugehen, steht dem nicht entgegen. Vielmehr gebietet die Sorgfalt im Umgang mit diesen Mitteln, mögliche Ersatzansprüche zeitnah zu verfolgen und geeignetes Personal in hinreichender Zahl hierfür zur Verfügung zu stellen."

Gericht:
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 11 U 127/10)

Pressemitteilung 34/2011
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