Nach der Entscheidung des Oberlandesgericht Hamm muss Glatteis auf Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich hingenommen werden. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur an besonders gefährlichen Stellen streuen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen.

Der Sachverhalt

Die Außentemperatur betrug ca. 3 Grad Celsius und die Klägerin passierte mit ihrem Fahrzeug ein kleines Waldstück, danach grenzten Baumreihen an den linken Fahrbahnrand. In der Linkskurve geriet die Klägerin mit ihrem Fahrzeug infolge von Eisglätte ins Schlingern. Sie verlor die Kontrolle über ihr Fahrzeug.

Sie kam von der Fahrbahn ab, prallte gegen eine Baumgruppe und kippte um. Die Klägerin und ihre Beifahrerin erlitten Verletzungen und mussten von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug geborgen werden. Mit der Begründung, die Unfallstelle sei wegen überfrierender Nässe - für sie nicht erkennbar - spiegelglatt gewesen und vom beklagten Kreis Recklinghausen verkehrssicherungspflichtwidrig nicht gestreut worden, hat die Klägerin vom Kreis Schadensersatz begehrt.

Sie verlangte rund 2.300 Euro für den am Fahrzeug entstandenen Schaden, ca. 3.900 Euro Haushaltsführungsschaden und ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm

Das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist erfolglos geblieben. Der Unfall beruhe nicht auf einer Amtspflichtverletzung des beklagten Kreises, so das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil, Az. 11 U 121/15). Dieser habe an der Unfallstelle nicht streuen müssen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen oder vorhandenem Glatteis entgegenzuwirken.

Auf öffentlichen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften müsse der Verkehrssicherungspflichtige gegen die Gefahr einer Glatteisbildung nur an besonders gefährlichen Stellen vorgehen. Eine besonders gefährliche Stelle in diesem Sinne liege nur dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der gebotenen erhöhten Sorgfalt den gefährlichen Zustand der Straßen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deswegen die Glatteisgefahr nicht meistern könne. An einer derartigen Stelle sei die Klägerin nicht verunfallt.

Klägerin kein Idealfahrer

Ein umsichtiger Fahrer hätte an der Unfallstelle bei winterlichen Temperaturen grundsätzlich mit Glätte durch Eis oder Raureif gerechnet und seine Fahrweise darauf eingestellt. In einem Gebiet mit - wie vorliegend - abschnittsweise neben der Straße befindlichen Waldbeständen und damit unterschiedlicher Sonneneinstrahlung auf die Straßenoberfläche müsse ein umsichtiger Kraftfahrer auch mit überraschendem Auftreten von Glätte rechnen und seine Fahrweise dementsprechend anpassen.

Im Bereich der Unfallstelle lägen keine außergewöhnlichen gefahrenträchtigen Straßenverhältnisse vor. Dort weise die Fahrbahn kein besonderes Gefälle und keine seitliche Neigung o.ä. auf, die eine besondere Gefährlichkeit begründen könnten. Die Straßenführung sei für einen herannahenden Verkehrsteilnehmer gut sichtbar.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.08.2016 - 11 U 121/15

OLG Hamm,  PM
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